Die Pforten Des Hades
beispielsweise die Affäre um die Vestalischen Jungfrauen im vergangenen Jahr; soweit ich weiß, hast du eine entscheidende Rolle gespielt, als es darum ging, Catilinas Haut zu retten. Auch Cicero habe ich deine Arbeit preisen hören, wenn auch irgendwie zweideutig. Hortensius ebenfalls. Auch dein Gesicht kommt mir bekannt vor, vermutlich habe ich dich auf dem Forum gesehen. Im Allgemeinen verpflichte ich keine freischaffenden Agenten. Ich ziehe es vor, Männer einzusetzen, die ich besitze.«
»Oder Männer zu besitzen, die du benutzt?«
»Du hast mich absolut verstanden. Wenn ich, sagen wir, eine neue Villa bauen lassen will, ist es weit effektiver, einen gebildeten Sklaven zu kaufen, als für ein exorbitantes Honorar einen Architekten zu engagieren, der gerade in Mode ist. Ich kaufe mir lieber einen Architekten als die Dienste eines Architekten. Auf diese Weise kann ich ihn ohne zusätzliche Kosten immer wieder verwenden.«
»Einige der Fähigkeiten, die ich anzubieten habe, liegen außerhalb der Möglichkeiten eines Sklaven«, sagte ich.
»Ja, da hast du vermutlich recht. Man hätte beispielsweise wohl kaum einen Sklaven einladen können, sich zu Gelinas Gästen zu gesellen und sie nach Belieben auszufragen. Hast du seit deiner Ankunft schon irgend etwas Entscheidendes herausfinden können?«
»Ja, das habe ich in der Tat.«
»Tatsächlich? Laß hören. Schließlich bin ich der Mann, der dich engagiert hat.«
»Ich dachte, es wäre Gelina gewesen, die nach mir geschickt hat.«
»Aber mein Schiff hat dich hergebracht, und aus meiner Börse wird schlußendlich dein Honorar bezahlt. Das macht mich zu deinem Auftraggeber.«
»Trotzdem würde ich meine Entdeckungen mit deiner Erlaubnis lieber noch ein wenig für mich behalten. Mit Informationen ist es manchmal wie mit dem gepreßten Saft der Trauben; sie müssen an einem dunklen und stillen Ort, fernab von neugierigen Blicken gären.«
»Ich verstehe. Ich will dich nicht bedrängen. Offen gestanden halte ich deine Anwesenheit hier ohnehin für eine Verschwendung meines Geldes und deiner Zeit. Aber Gelina hat darauf bestanden, und da es ihr Mann war, der ermordet wurde, habe ich beschlossen, ihr ihren Willen zu lassen.«
»Bist du selbst nicht neugierig, was den Mord an Lucius Licinius angeht? Soweit ich weiß, war er dein Vetter und seit vielen Jahren Verwalter deines Gutes.«
Crassus zuckte die Schultern. »Gibt es wirklich noch irgendeinen Zweifel, wer ihn getötet hat? Gelina hat dir doch sicherlich von den vermißten Sklaven erzählt und den Buchstaben, die man vor Lucius Füße in den Boden geritzt hat? Daß so etwas einem meiner Verwandten in einer meiner eigenen Villen passieren konnte, ist empörend. Darüber darf man nicht hinwegsehen.«
»Und doch gibt es möglicherweise Grund zu der Vermutung, daß die Sklaven unschuldig sind.«
»Was für Gründe? Ah, ich vergaß, dein Kopf ist eine Art dunkles Faß, in dem die Wahrheit langsam gärt.« Er warf mir ein grimmiges Lächeln zu. »Metrobius hätte vermutlich ein paar weitere witzige Anspielungen zu dem Thema auf Lager, aber ich bin dafür zu müde. Ach, diese Buchführung ist ein Skandal.« Er drehte sich um und vertiefte sich wieder in die Schriftrollen auf dem Tisch, offenbar nicht weiter an den Gründen für meine Anwesenheit interessiert. »Ich hatte ja keine Ahnung, daß Lucius so schludrig geworden war. Und seit auch noch dieser Sklave Zeno verschwunden ist, kann man sich in diesen Unterlagen überhaupt nicht mehr zurechtfinden ...«
»Bist du soweit fertig mit mir, Marcus Crassus?«
Er war offenbar so mit seiner Buchhaltung beschäftigt, daß er mich gar nicht mehr hörte. Ich sah mich im Raum um. Er war mit einem dicken Teppich mit einem rot-schwarzen geometrischen Muster ausgelegt. Die Wände zur Rechten und Linken bedeckten Regale, in denen Schriftrollen lagerten, manche zu Haufen übereinandergestapelt, andere ordentlich in Fächern abgelegt. Die Wand gegenüber der Tür war von zwei schmalen Fenstern zum Hof vor dem Haus durchbrochen, die beide gegen die Kälte verbarrikadiert und mit roten Vorhängen verhängt waren.
Zwischen den Fenstern über dem Tisch, an dem Crassus arbeitete, hing ein Gemälde von Gelina. Es war ein Porträt von rarer Qualität, mit dem Funken echter Lebendigkeit, wie der Grieche sagt. Den Hintergrund beherrschte der Vesuv, mit einem blauen Himmel über sich und der grünen See zu seinen Füßen; das Bildnis von Gelina im Vordergrund strahlte tiefe
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