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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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angefressen. Der Rest war bar jeder Farbe, schlammbespritzt und von rascher Fäulnis befallen. Wir blickten auf die Überreste eines menschlichen Kopfes auf Schultern, an denen noch Fetzen ausgebleichten Stoffes hingen. Das Gesicht lag im Schlamm. Auf dem Hinterkopf kräuselte sich ein Ring grauer Haare um eine kahle Stelle. Eco trat ängstlich einen Schritt zurück und starrte auf den See, als glaubte er, das Ding wäre aus den Schwefelgruben aufgestiegen und nicht hineingefallen.
    Ich fand einen Stock und stieß, mir die Nase zuhaltend, gegen die Schultern, um das Ding umzudrehen. Es war nicht leicht; das Fleisch schien mit dem Schlamm verschmolzen zu sein. Als es mir endlich gelang, war der Anblick kaum zu ertragen, doch seine Gesichtszüge waren noch so deutlich, daß Olympias ihn erkannte. Sie sog stockend den Atem ein und schluchzte in ihren Ärmel: »Zeno!«
    Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was wir mit dem Ding anfangen sollten, hatte Olympias es für mich entschieden. Mit einem durchdringenden Schrei bückte sie sich, ergriff den Kopf bei seinen verbleibenden Haaren und schleuderte ihn in den See. Er segelte durch die Nebelschwaden, die hinter ihm aufwirbelten und sich kräuselten, und landete nicht mit einem Platscher, sondern eher einem dumpfen Aufprall. Einen unheimlichen Moment lang schien die Zeit stehenzubleiben, während der Kopf auf dem blubbernden Kessel trieb. Dann tat sich unter ihm zischend eine Spalte aus schwefligem Dampf auf. Durch die Schwaden glaubte ich zu sehen, wie sich die Augen des Dings öffneten und zu uns herüberstarrten wie ein Ertrinkender, der den Menschen am Ufer verzweifelte Blicke zuwirft. Dann versank er im Schlamm und war für immer verschwunden.
    »Nun hat ihn der Schlund des Hades endgültig verschlungen«, sagte ich flüsternd zu niemand Bestimmtem. Denn Olympias stürzte weinend den Pfad hinauf, während Eco in die Knie gegangen war und auf den Strand kotzte.
     

DRITTER TEIL
    Der Kelch des Todes
     
    VIERZEHN
    »Will dieser Tag denn nie enden?« Ich starrte an die Decke über meinem Bett und rieb mir mit beiden Händen das Gesicht. »Morgen habe ich bestimmt Rückenschmerzen von der ganzen Herumreiterei. Bergauf, bergab, durch Wälder und Ödland.« Ich plapperte vor mich hin, wie es erschöpfte Männer tun, wenn man ihnen im Laufe eines langen Tages die Möglichkeit gibt, sich auszuruhen, sie aber zu übermüdet sind, um sich zu entspannen. Vielleicht hätte es geholfen, wenn ich die Augen geschlossen hätte, doch jedesmal wenn ich das tat, sah ich das grausam verfaulte Gesicht Zenos, das mich aus einem klaffenden Flammenschlund anstarrte.
    »Eco, könntest du mir einen Becher Wasser aus dem Krug auf der Fensterbank einschenken? Wasser!« Ich schlug mir mit der Hand an die Stirn. »Wir müssen noch immer jemanden finden, der in die Untiefen beim Bootshaus taucht, um herauszufinden, was gestern Nacht vom Pier ins Wasser geworfen wurde.« Ich richtete mich auf, um meinen Becher entgegenzunehmen, und blickte über Ecos Schulter durchs Fenster. Die Sonne würde bald untergehen. Bis ich Meto gefunden hatte, vorausgesetzt, er war für die Aufgabe überhaupt geeignet, und mit ihm zum Ufer hinuntergestapft war, würden die Schatten noch länger und der Abend kühl geworden sein. Wir brauchten aber Sonnenstrahlen, die das Wasser durchdrangen, wenn wir zwischen den Felsen am Grund etwas finden wollten. Die Aufgabe würde warten müssen.
    Ich stöhnte und rieb mir die Augen - dann riß ich die Hände rasch wieder weg, als erneut Zenos Gesicht vor mir auftauchte.
    »Uns bleibt nicht genug Zeit, Eco, nicht genug Zeit. Welchen Sinn hat das ganze Herumgehetze, wenn wir keine Hoffnung haben, dieser Sache auf den Grund zu gehen, bevor Crassus seinen Willen bekommt? Wenn nur Olympias den Kopf nicht in den See geworfen hätte und dann alleine zur Villa zurückgaloppiert wäre, hätten wir wenigstens etwas gehabt, was wir Crassus zeigen können - einen Beweis, daß wir einen der Sklaven gefunden haben. Doch was hätte das genutzt? Crassus hätte es nur als weiteres Indiz für Zenos Schuld genommen - wie hätten die Götter ihren Zorn auf einen mörderischen Sklaven besser zeigen können als dadurch, daß Pluto den Schurken persönlich verschlungen hatte?
    Trotz all unserer Mühen haben wir nichts als offene Fragen, Eco. Wer hat mich gestern Nacht auf dem Pier angegriffen? Was hat Olympias heute gemacht und warum ist Dionysius ihr gefolgt? Und welche Rolle spielt Iaia in all

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