Die Pforten Des Hades
funkelten. Der Ritt nach Cumae und zurück hatte ihn erfrischt, dachte ich, oder aber er mußte sehr zufrieden sein mit dem Ergebnis seiner Beschattung Olympias. Mir kam auf einmal der Gedanke, daß er ihrer Schönheit genauso verfallen sein könnte wie alle anderen und er ihr nur aus schierer Lüsternheit nachgestiegen war. Ich erinnerte mich daran, wie ich ihn auf der Klippe gesehen hatte, als er Olympias verstohlen aus den Falten seines Umhangs beobachtet hatte, und mit einem Schauder stellte ich mir vor, wie er sich selbst zärtlich berührte. Wenn das Lächeln, das heute Abend auf seinem Gesicht lag, ein Nachglühen der Befriedigung seiner eigenartigen sexuellen Gelüste war, dann gönnten mir die Götter einen sehr viel intimeren Blick in die Seele dieses Mannes, als ich zu tun gewünscht hätte.
Und doch war Dionysius bei all seiner Besessenheit offenbar durchaus in der Lage, Olympias und ihren Kummer zu ignorieren, obwohl sie direkt zu seiner Rechten lagerte. Stattdessen widmete er all seine Aufmerksamkeit Crassus. Wie am Abend zuvor war es Dionysius, der die Zügel der flüchtigen Unterhaltung schließlich in die Hand nahm, um uns mit seiner Gelehrsamkeit zu unterhalten oder doch zumindest zu beeindrucken.
»Gestern Abend haben wir ein wenig über die Geschichte der Sklavenaufstände gesprochen, Marcus Crassus. Schade, daß du nicht dabeisein konntest. Vielleicht wären einige meiner Forschungsergebnisse auch für dich neu gewesen.«
Crassus nahm sich Zeit, seine Brotkruste zu Ende zu kauen, bevor er antwortete. »Das wage ich ernsthaft zu bezweifeln, Dionysius. Ich habe mich in den vergangenen Monaten selbst intensiv mit dem Thema befaßt, vor allem mit den Fehlern, die die erfolglosen römischen Befehlshaber angesichts solch gewaltiger, aber undisziplinierter Massen gemacht haben.«
»Ah.« Dionysius nickte. »Der kluge Mann interessiert sich nicht nur für seinen Feind, sondern auch für, nennen wir es, das Erbe seines Feindes und die historischen Kräfte, die ihm zur Verfügung stehen, egal wie zwielichtig und unehrenhaft sie sein mögen.«
»Wovon, um alles in der Welt, sprichst du?« sagte Crassus, fast ohne aufzublicken.
»Ich meine, daß Spartacus nicht aus dem Nichts gekommen ist. Laut meiner Theorie werden Legenden über die Sklavenaufstände vergangener Zeiten unter den Sklaven weitergetragen, Legenden, wie sie sich um den zum Scheitern verurteilten Sklaven-Zauberer Eunus ranken und mit allerlei pseudoheroischen Details und Wunschgedanken ausgeschmückt werden.«
»Unsinn«, sagte Faustus Fabius und wischte sich eine Strähne seines störrischen roten Haars aus der Stirn. »Sklaven haben genauso wenig Legenden oder Helden, wie sie Frauen, Mütter oder Kinder haben, die sie ihr eigen nennen können. Sklaven haben Pflichten und Herren. So ist der Lauf der Welt, wie die Götter sie geschaffen haben.« Es erhob sich ein allgemeines zustimmendes Gemurmel.
»Aber der Lauf der Welt kann aus den Fugen geraten«, wandte Dionysius ein, »wie wir alle in den letzten zwei Jahren nur zu deutlich gesehen haben, in denen Spartacus und sein Pöbel durch ganz Italien getobt sind, Verwüstungen angerichtet und mehr und mehr Sklaven angestiftet haben, sich ihnen anzuschließen. Diese Männer rümpfen über die natürliche Ordnung der Dinge nur die Nase.«
»Also ist die Zeit gekommen, daß ein starker Römer diese Ordnung wiederherstellt!« dröhnte Mummius.
»Aber es wäre doch sicherlich hilfreich«, drängte Dionysius weiter, »die Motive und Hoffnungen der aufständischen Sklaven zu verstehen, um sie um so sicherer zu vernichten.«
Fabius kräuselte verächtlich die Lippen und biß in eine Olive. »Ihr Motiv ist die Flucht aus einem Leben von Dienst und Arbeit, das das Schicksal ihnen zugelost hat. Ihre Hoffnung ist, freie Männer zu werden, obwohl es ihnen dafür an der nötigen Moral und an Charakter mangelt, vor allem denen, die schon als Sklaven geboren wurden.«
»Und diejenigen, die als Kriegsgefangene oder durch Mittellosigkeit zur Sklaverei gezwungen wurden?« Die Frage kam von Olympias, die errötete, als sie sie stellte.
»Kann jemand, der zur Sklaverei erniedrigt wurde, je wieder ein ganzer Mensch werden, selbst wenn sein Herr ihn einer Freilassung für würdig hält?« Fabius neigte seinen Kopf. »Wenn Fortuna einen Menschen in Besitz verwandelt hat, ist es ihm für immer unmöglich, seine Würde zurückzuerlangen. Vielleicht wird sein Körper erlöst, nicht jedoch seine Seele.«
»Und
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