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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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der Geruch des verkohlten Fleisches erinnerte mich wieder daran, daß wir seit Stunden nichts gegessen hatten. In einer kleinen Nische hinter dem Tempel hatte Dämon, der Junge, den Kadaver des Lamms aufgespannt und gehäutet und zerlegte ihn jetzt mit erstaunlich routiniertem Geschick.
    Wir wanderten durch die Schlucht und banden unsere Pferde los. Das helle Sonnenlicht spiegelte sich in dem Felsenlabyrinth wider und machte es zu einem nach wie vor imposanten Ort, wenn auch nicht mehr so bedrohlich. Wir ritten aufs Meer zu, bis wir die Kuppe eines kleinen Anstiegs erreichten. Vor uns lag eine glitzernde Fläche, nicht die eingegrenzte Bucht des Golfs, sondern das wahre Meer, ein Gewässer, das sich bis nach Sardinien und weiter bis zu den Säulen des Hercules erstreckte. Zu unseren Füßen lag das uralte Dorf Cumae.
    Wir ritten schweigend. Sonst plapperte ich auf meinen Reisen meist unaufhörlich vor mich hin, selbst wenn Eco mir nicht mit seiner Stimme antworten konnte. Jetzt wußte ich nicht, was ich sagen sollte. Die Stille war schwer von unausgesprochener Melancholie.
    Ein Mann auf einem Wagen wies uns den Weg zu Iaias Haus, das auf einem Felsen mit Blick auf das Meer am anderen Ende des Dorfes lag. Als Villa war es nicht besonders imposant, doch es war wahrscheinlich das größte Haus im Dorf - mit einem bescheidenen Nord- und Südflügel sowie einer weiteren Ebene, die allem Anschein nach zur Küste hin abgestuft war. Die Mauern waren in einer Farbpalette von subtiler Originalität getüncht, einer Mischung aus Safran und Ocker mit Glanzlichtern aus Blau und Grün. Das Haus stach kühn vor dem Hintergrund des Meeres ab und war gleichzeitig aus dem Panorama nicht wegzudenken. Hand und Auge Iaias verwandelten eben alles in Kunst.
    Der Sklave an der Tür informierte uns, daß Olympias ausgegangen sei, jedoch Anweisungen getroffen habe, daß man sich um uns kümmerte. Er führte uns auf eine kleine Terrasse mit Blick aufs Meer und brachte uns Speisen und etwas zu trinken. Angesichts der dampfenden Schale Haferbrei erwachten Ecos Lebensgeister wieder. Er aß mit Genuß, und es freute mich zu sehen, daß er seine Traurigkeit abgeschüttelt hatte. Nach dem Essen machten wir es uns auf den Sofas bequem und blickten dösend aufs Meer hinaus, doch ich wurde bald unruhig und stand auf, um die Sklaven zu fragen, wo Olympias hingegangen war. Wenn sie es wußten, wollten sie es mir nicht sagen. Ich ließ Eco dösend auf dem Sofa zurück und wanderte durch das Haus.
    Iaia hatte im Laufe ihres Lebens viele schöne Dinge gesammelt - prachtvoll gearbeitete Tische und Stühle, kleine Skulpturen, die so kunstvoll gestaltet und bemalt waren, daß sie beinahe zu atmen schienen, kostbare Glasobjekte, kleine Figuren aus Elfenbein und Gemälde sowohl von anderen Künstlern als auch eigene. Die Dinge waren mit einem großen Sinn für Harmonie und einem unfehlbaren Blick für Anmut und Schönheit im ganzen Haus arrangiert. Kein Wunder, daß sie sich so geringschätzig über Licinius Geschmack in Gemälden und Statuen geäußert hatte.
    Es war meine Nase, die mich in das Zimmer führte, in dem Iaia und Olympias ihre Pigmente mischten. Ich folgte einer eigenartigen Mischung aus Gerüchen den Flur hinunter, bis ich in eine Kammer kam, die mit Töpfen, Rosten, Mörsern und Stößeln vollgestellt war. Überall stapelten sich größere und kleinere Tongefaße, alle beschriftet von derselben Hand, die das Porträt Gelinas signiert hatte. Ich öffnete die Gefäße und untersuchte die diversen getrockneten Pflanzen und pulverisierten Minerale. Einige erkannte ich - braunrote Sinopia-Farbe aus eisenhaltigem Lehm aus Sinope, Spanisch-Zinnober, die Farbe des Blutes, dunkelvioletter Sand aus Puteoli, blaues Indigo aus einem Pulver, das man von ägyptischem Schilfrohr abschabte.
    Andere Gefäße schienen keine Pigmente, sondern medizinische Kräuter zu enthalten - schwarzweiße, zu einem Pulver gestoßene Nieswurz, giftig, aber vielseitig verwendbar; die Holosteon-Pflanze (von den Griechen so benannt, obwohl sie, wie der Name andeutet, keineswegs aus Knochen besteht, sondern im Gegenteil völlig weich ist, eine ähnlich perverse Logik wie die griechische Bezeichnung für Galle, die wörtlich übersetzt »süß« genannt wird), eine Pflanze mit feinen, haarartigen Wurzeln, die die Wundheilung fördert und sich zur Behandlung von Verstauchungen eignet; weiße Lathyris-Samcn zur Heilung von Wassersucht und Gallenleiden. Ich war gerade im Begriff, ein

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