Die Pforten Des Hades
verzweifelt versuchte, mich an die mit mir in die Tiefe stürzenden Felsbrocken zu klammern, während ich ins leere Nichts stürzte -
Ich wachte in kaltem Schweiß gebadet auf und sah, daß der Junge Meto sich mit einem Ausdruck ernster Sorge über mich beugte. Von der anderen Seite des Raumes hörte ich das leise Sägen von Ecos Schnarchen. Ich blinzelte und wischte mir mit der Hand über die Stirn, überrascht, sie von Schweiß bedeckt zu finden. Der Himmel über der Terrasse war dunkel, und die ersten Abendsterne funkelten. Das Zimmer wurde erleuchtet von der Lampe, die Meto in seinen kleinen Händen trug. »Sie warten auf dich«, sagte er schließlich, die Augenbrauen unsicher runzelnd.
»Wer? Womit?« Ich blinzelte benommen und beobachtete, wie das Licht der Lampe durchs Zimmer tanzte.
»Alle außer euch sind schon da«, sagte er.
»Wo?«
»Im Eßzimmer. Sie warten auf dich, um mit dem Mahl zu beginnen. Obwohl ich nicht weiß, warum sie es damit so eilig haben«, fuhr er fort, als ich meinen Kopf schüttelte, um meine Gedanken zu ordnen, und mich mühsam vom Bett hochkämpfte.
»Warum sagst du das?«
»Weil es ein Abendessen ist, das wohl nicht einmal Sklaven einladend finden würden!«
Eine große Düsternis schien sich über das Eßzimmer gelegt zu haben. Das lag zum Teil an dem ernsten Anlaß, denn dies war das letzte Mahl vor der Beerdigung; die Nacht und den gesamten folgenden Tag hindurch bis zu den Trauerfeierlichkeiten, die sich an die Einäscherung und Bestattung von Lucius Licinius Leiche anschließen würde, mußte jeder im Haus fasten. Für diesen Abend schrieb die Tradition ein Mahl von strenger Schlichtheit vor: trockenes Brot und ein einfaches Linsengericht, gewässerter Wein und Hafergrütze. Als Neuerung hatte Gelinas Koch ein paar Delikatessen beigefügt, alle in Schwarz gehalten: schwarzer Fischrogen auf schwarzen Brotkrusten, eingelegte, schwarz gefärbte Eier, schwarze Oliven und in Tintenfischtinte pochierter Fisch. Es war kein Abendessen, das kluge Konversation inspirierte, nicht einmal seitens Metrobius. Auf der anderen Seite des Raumes musterte Orata die Tafel mit bedrückten Blicken und stopfte sich mit eingelegten Eiern voll, die er ganz in den Mund steckte.
Die Düsternis hatte aber auch noch einen anderen Quell, der sich von dem Sofa neben Gelina ausbreitete. Heute abend nahm Marcus Crassus am Essen teil, und seine Gegenwart schien jede Spontaneität zu ersticken. Seine Leutnants Mummius und Fabius, die nebeneinander zu seiner Rechten lagerten, waren offenbar unfähig, ihre wortkarge soldatische Haltung abzulegen, und nach ihren verstohlenen Blicken und verschlossenen Gesichtern zu urteilen, schienen sich auch Metrobius und Iaia in Anwesenheit des bedeutenden Mannes nicht wohl zu fühlen. Olympias war verständlicherweise abgelenkt durch den Schock, den sie am Averner See erlitten hatte.
Ich war überrascht, sie überhaupt zu sehen. Sie stocherte in ihrem Essen herum, kaute auf ihrer Lippe und hielt den Blick gesenkt. Sie trug einen gehetzten Gesichtsausdruck, der ihre Schönheit im gedämpften Schein der Lampen nur noch unterstrich. Ich bemerkte, daß Eco seinen Blick kaum von ihr wenden konnte.
Gelina befand sich in einem Zustand sorgenvoller Erregung. Sie konnte keinen Moment stillhalten und winkte ständig Sklaven zu sich, um sich dann, wenn sie an ihre Seite geeilt kamen, nicht mehr erinnern zu können, warum sie sie gerufen hatte. Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen verhärmter Verzweiflung und einem augenscheinlich grundlosen ängstlichen Lächeln. Dabei wandte sie ihren Blick keineswegs ab, sondern ließ ihn von Gesicht zu Gesicht wandern, wobei sie jeden von uns starr und undurchdringlich musterte. Dem hielt sogar Metrobius nicht stand; er nahm zwar gelegentlich ihre Hand, um sie aufmunternd oder tröstend zu drücken, doch er wich ihrem Blick aus, und auch sein Witz schien ihn verlassen zu haben.
Crassus selbst wirkte abwesend und unnahbar. Seine Konversation beschränkte sich weitgehend auf kurze Bemerkungen über den Zustand seiner Truppe und die Fortschritte bei der Fertigstellung des Amphitheaters, die er mit Mummius und Fabius austauschte. Gemessen an der Aufmerksamkeit, die er seinen übrigen Gästen widmete, hätte er genauso gut allein speisen können. Er aß mit gesundem Appetit, blieb jedoch ansonsten nachdenklich und verschlossen.
Einzig der Philosoph Dionysius schien guter Dinge zu sein. Seine Wangen hatten einen rosigen Glanz, und seine Augen
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