Die Pforten Des Hades
Flöten und schüttelten bronzene Rasseln. In Rom hätten Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung und Achtung vor dem uralten Gesetz der Zwölf Tafeln die Zahl der Musiker möglicherweise auf zehn begrenzt, doch Crassus hatte mindestens doppelt so viele engagiert. Er wollte ganz offensichtlich beeindrucken.
Es folgten die gemieteten Klageweiber, ein Trupp von unfrisiert daher schlurfenden Frauen, die immer wieder einen Refrain anstimmten, der die berühmte Grabrede des Stückeschreibers Naevius paraphrasierte: »Wenn der Tod eines Sterblichen die Herzen unsterblich traurig macht, müssen selbst die Götter im Himmel den Tod dieses Menschen beweinen...« Die Frauen starrten stur geradeaus und schienen die Menschenmenge um sich herum gar nicht wahrzunehmen; sie zuckten und weinten, bis Sturzbäche von Tränen ihre Wangen hinunterliefen.
In dem Zug entstand nun eine kleine Lücke, gerade lang genug, um das Klagelied verklingen zu lassen, bevor die Narren und Mimen auftraten. Bei ihrem Nahen hellte Ecos Miene sich auf, während ich innerlich stöhnte; es gibt nichts Peinlicheres als eine Beerdigungsprozession, die von schlechten Spaßmachern verdorben wird. Diese jedoch waren recht gut; selbst gegen Ende der Urlaubszeit mangelte es am Golf nicht an erstklassigen Unterhaltungskünstlern, und der Designator hatte nur die Besten von ihnen engagiert. Während sich einige auf primitive, aber wirkungsvolle Vulgärkomik beschränkten, die der Menge ein höfliches Lachen entlockte, gab es andere, die mit anrührenden Stimmen einzelne Verse tragischer Lyrik rezitierten. Die meisten üblicherweise bei Beerdigungsprozessionen verwandten Passagen sind mir vertraut, doch diese Worte stammten von einem jungen und unbekannten Poeten der epikureischen Schule:
Nichts geht also der Tod uns an
und reicht an uns nirgends,
da der Seele Natur sich hat
als sterblich nunmehr erwiesen.
So wird, sind wir nicht mehr,
wenn erfolgt zwischen Leib ist
und Seele die Scheidung,
nichts überhaupt uns zu treffen
und unsere Sinne zu rühren vermögen.
Und gesetzt, nachdem sie
dem Körper in Stücken entwichen,
könnte der Seele Natur und
des Lebens Gewalt noch empfinden,
nichts geht an es doch uns,
die wir in Verbindung und Ehe
zwischen Seele und Leib bestehen,
zur Einheit gefüget.
Auch nicht, wenn unsern Stoff
der Lauf der Zeiten versammelt
nach unserem Tod erneut ihn fügt,
wie er jetzt ist gelegen,
und ein zweites Mal uns
das Licht des Lebens geschenkt wird,
ginge uns dies etwas an,
selbst dann nicht, wenn solches geschehen,
da, unterbrochen einmal,
das Gedächtnis an uns ist geschwunden.
Da der Tod dies nimmt,
ist uns zu wissen erlaubt,
daß nichts ist im Tode zu fürchten
und daß elend werden nicht kann,
wer gar nicht mehr ist dann,
und es kein Unterschied macht,
ob niemals ward er geboren,
wenn der unsterbliche Tod hat
das sterbliche Leben genommen.
Dann wurde der Rezitator von einem der Spaßmacher jäh unterbrochen, der ihm mit dem Finger drohte: »Was für ein Blödsinn. Leib, Seele, Leib, Seele«, parodierte ihn der Narr, den Kopf vor und zurück wiegend. »Was für ein Haufen epikureischer Unsinn! Ich hatte einmal einen epikureischen Philosophen zu Gast, aber ich habe ihn rausgeschmissen. Ein Stoiker, trübe und langweilig wie Spülwasser, oder dieser Narr Dionysius sind mir allemal lieber!«
In der Menge ertönten ein paar freundliche Lacher des Wiedererkennens. Ich vermutete, daß dies der vom Designator engagierte Erzmime sein mußte, der eine wohlwollende Parodie des Verstorbenen zum Besten geben sollte.
»Und daß du nicht einen Moment lang glaubst, für derart erbärmliche Lyrik würde ich auch nur eine halbe Kupfermünze ausgeben«, fuhr er, noch immer mit dem Finger drohend, fort, »genauso wenig wie für diese sogenannte Unterhaltung. Ich erwarte einen echten Gegenwert für mein Geld, hast du verstanden? Einen echten Wert! Das Geld fallt schließlich nicht vom Himmel, wie du weißt, jedenfalls nicht in meine Hände! Vielleicht ist es in die Hände meines Vetters Crassus gefallen, aber nicht in meine!« Er schürzte abrupt die Lippen, machte auf dem Absatz kehrt und begann, die
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