Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
Der Hofmeister blieb stehen. »Ich bitte um Verständnis, aber ich muss jetzt anderen Pflichten nachkommen. Die Stallungen könnt ihr von hier aus sehen. Wenn ihr nicht unbedingt meiner Hilfe bedürft, würde ich euch Drón allein aufsuchen lassen.« Er nickte ihnen zu und ging in die Halle zurück.
Im Stillen war ihm Fidelma dankbar, denn sie legte keinen Wert auf seine Gegenwart, wenn sie mit Drón sprach. Sie war im Begriff, die Stufen, die auf den Hof führten, hinabzusteigen, als sie Eadulf zögern sah. Er wollte etwas sagen, doch ihr spitzbübisches Grinsen verschloss ihm den Mund. »Nicht, dass du jetzt wieder erklärst, du verstehst gar nichts mehr, Eadulf!«
»Aber genau so ist es. So viel steht fest – Gelgéis ist nicht offen zu uns. Was meint sie damit, wenn sie sagt, sie könne dir nicht trauen? Auf welcher Seite steht sie?«
»Fidelma!«
Der Zuruf war voll übersprudelnder Freudigkeit.
Sie drehten sich beide um und sahen eine schlanke Gestalt aus der Halle auf sie zukommen. Dúnliath.
»Fidelma und Bruder Eadulf, wie großartig, euch beide hier zu sehen. Ich dachte schon, ich würde mich hier schrecklich langweilen. Nein, bin ich froh! Einfach großartig, euch beide hier zu sehen.«
Die überschwänglichen Wiederholungen reizten Fidelma, aber sie beherrschte sich. »Schön, dich wohlauf zu wissen, Lady«, erwiderte sie. »Wie ich höre, bist du mit deinem Vater hierher geritten.«
»O ja. Er ist ja ein lieber Mensch, wenn er nur nicht so ein Dummkopf wäre«, schmollte das Mädchen. »Er ist pausenlos mit Recht und Gesetz und Kriegen und all so ’nem Zeug beschäftigt. Hat er doch darauf bestanden, dass wir herkommen – und warum das Ganze?«
Fidelma verzog keine Miene. »Hat er es dir nicht gesagt?«, fragte sie ernst.
Sie krauste die Stirn. »Irgendwas von ›sicher sein‹ oder sogar ›bis sich die Verhältnisse in Cashel geklärt haben.‹ Keine Ahnung, was er mit Verhältnissen meinte. Weißt du etwas?«
Fidelma überhörte ihre Frage. »Wie ging es meinem Bruder, als ihr noch dort wart?«
»Colgu? Dem ging es gut, als ich ihn zuletzt sah.«
»Wann und wo war das?«
»Gestern früh in Cashel, als er von dort aufbrach.«
»Wohin wollte er?«
»Er sprach davon, er müsse mit einigen seiner Krieger fortreiten. Ich verstehe das nicht. Wir hatten so ein schönes Fest geplant mit Spaß und vergnüglicher Unterhaltung,und da überlegt er es sich plötzlich anders und sagt, er müsse fort.«
Fidelma sah sie ungehalten an. Was konnte ihr Bruder nur an so einer … so einer óinseach finden? Ihr fiel keine passendere Bezeichnung für das Mädchen ein – eine törichte, flatterhafte junge Frau. Wie sollte sie eine Partnerin für Colgú sein, wenn sie nur banalen Dingen etwas abgewinnen konnte?
»Colgú hat demnach Cashel schon vor euch verlassen?«, hakte Eadulf nach. »Hat er damit gerechnet, dass ihr auch abreist? Oder hat das dein Vater erst beschlossen, nachdem er fort war?«
»Och, das weiß ich nicht. Ist ja auch egal, es ist einfach schön, dass du hier bist, Lady«, schwatzte das Mädchen munter darauflos, ohne die ernsten Mienen der beiden auch nur wahrzunehmen. »Vielleicht können wir Gelgéis überreden, ein Fest mit Spaß und Frohsinn zu veranstalten. Ich habe gehört, eine umherziehende Gruppe von Spielleuten soll in der Stadt sein.«
Eadulf hatte mit dem Begriff crossan , den sie benutzte, seine Mühe. Dúnliath sah ihm seine Verwirrung an und fügte rasch hinzu: »Ich meine Jongleure, Gaukler und Clowns.«
»Wenn du möchtest, kannst du ja Gelgéis den Vorschlag unterbreiten«, meinte Fidelma. »Wir müssen uns um ernstere Dinge kümmern.«
Dúnliath machte ein sauertöpfisches Gesicht. Eadulf dachte schon, sie würde mal wieder mit dem Fuß aufstampfen. »Alle haben hier was Wichtiges zu tun. Hat denn niemand Zeit, sich ein wenig zu vergnügen? Schon in Cashel gab es ewig Verpflichtungen, die Colgú in Atem hielten. Ist er nun König oder nicht? Als König kann erdoch dafür sorgen, dass andere seine Anordnungen durchsetzen, und muss nicht alles selbst erledigen.«
»Lady, der König ist Diener seines Volkes, das liegt in der Natur des Amtes«, versuchte ihr Eadulf behutsam zu erklären.
»Ein König ist kein Diener!«, empörte sie sich. »Das ist reiner Unfug, was du da redest, Sachse!«
»Angle«, verbesserte Eadulf sie vorsichtig, aber das Mädchen scherte sich nicht darum.
»Mein Vater ist Lord von Gabrán, und die Untertanen haben gefälligst seinen
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