Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
frei ist, wird sie in ihrer Verwirrtheit einzig und allein auf Rache sinnen.«
»Trotzdem ist ein Punkt zu bedenken«, mahnte Eadulf an.
»Und der wäre?«
»Du weißt, in welchem Geisteszustand wir sie vorgefunden haben. Der Person, die sie befreit hat, muss es gelungen sein, sie so zu beruhigen, dass sie es ohne Toben und Schreien geschehen ließ. Sie muss den Menschen gut gekannt haben.«
»Richtig, Eadulf. Das muss uns zu denken geben.« Fidelma wandte sich an Caol. »Geh zu meinem Bruder und überzeuge ihn, sich in das Gemach zurückzuziehen, das Gelgéis für ihn vorgesehen hat. Er soll dort das Ergebnis unserer Suche nach Eithne abwarten. Bleibe an seiner Seite, auch wenn er versucht, dich fortzuschicken. Solange du nicht anderweitig von mir hörst, lässt du ihn auf keinen Fall allein.«
Caol eilte davon, und Fidelmas nächste Anweisung war an den Hofmeister gerichtet.
»Spealáin, du musst Gelgéis und die Wachen alarmieren. Man muss alles in der Festung gründlich nach dieser Frau durchsuchen und auf jeden achten, der sich in irgendeiner Weise verdächtig verhält.«
»Bist du sicher, dass du mir und den Wächtern von Durlus trauen kannst?«, vergewisserte sich Spealáin mit sarkastischem Unterton.
»Vertrauen will errungen sein, Spealáin«, ermunterte ihn Fidelma. »Also mach dich auf den Weg und erring es.«
Er zögerte nur kurz und hastete Caol hinterher.
»Glaubst du ernsthaft, Eithne könnte versuchen, den König zu ermorden?«, fragte Gormán besorgt.
»So verrückt, wie sie ist, wäre sie dazu imstande«, meinte Eadulf. »Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass sie in ihrem Zustand ohne Hilfe in der Lage wäre, den Weg zum König zu finden und die Tat zu begehen.«
»Genau das ist der Punkt«, bestätigte Fidelma mit verhaltenem Zorn. »Allein kriegt sie das nicht hin. Jemand hat sie befreit, und diese Person kann sie schon in diesem Moment zu meinem Bruder geleiten.«
Gormán war bleich geworden und mit einem Satz an der Tür.
Fidelma hielt ihn zurück. »Bleib hier! Colgús Sicherheit ist durch Caol gewährleistet. Unsere Aufgabe besteht darin, Eithne und ihren Helfershelfer zu finden.«
Sie schauten sich um. Wo sollten sie mit der Suche beginnen? Stumm wies Gormán auf die Steinplatten des Bodens – Blutspuren. Ob Eithne oder ihr Befreier, einer von beiden war in die Blutlache des toten Kriegers getreten und achtlos weitergegangen.
Gormán zog sein Schwert aus der Scheide und lief voran. Am Ende des Ganges führte die Spur nach links und endete vor einer solide gebauten Tür aus Holz. Sie hatte keine Schlösser, so dass es für Gormán ein Leichtes war, sie zu öffnen. Stufen führten nach unten in so etwas wie ein Kellergewölbe, wo ein schwaches Licht flackerte.
»Wartet hier!«, flüsterte der Krieger. »Ich geh und schau nach.«
Mit erhobenem Schwert tastete er sich die Treppe hinunter,dann verschwand er im Dunkeln. Die Stille währte lange und erschien den beiden Wartenden unerträglich. Doch dann hörten sie seine Stimme.
»Keine Gefahr, aber kommt selbst und seht!«
Sie stiegen hinab. Im Licht einer Öllampe erkannten sie Gormán. Er stand vor einem Lumpenbündel, das auf der Erde lag.
»Was ist das?«, fragte Eadulf.
Gormán trat zur Seite und zeigte auf eine zusammengekauerte Gestalt.
Fidelma beugte sich zu ihr und hielt erschrocken den Atem an. »Es ist Eithne«, wisperte sie.
»Mit einem Hieb ins Herz getroffen«, war Gormáns Kommentar.
Eadulf nahm die Öllampe aus der Halterung und leuchtete das Häufchen Elend ab.
»Hast du etwa …« Fidelma sah forschend zu Gormán auf.
»Gott behüte, Lady! Ich töte doch keine alten Frauen«, begehrte der Krieger auf. »Ich kam hier runter und sah das Kleiderbündel, jedenfalls hielt ich es dafür, und bemerkte erst dann, dass es eine Leiche ist. Ich habe sofort alles überprüft, aber der Keller ist klein, hier verbirgt sich niemand weiter.«
»Die Wunde blutet noch, und der Körper ist warm.« Eadulf neigte sich tiefer. »Und … sie lebt noch!«
Er reichte Fidelma die Öllampe und kniete neben der Alten nieder, wenngleich er wusste, dass sie nicht mehr zu retten war. Lady Eithne von An Dún kämpfte mit den letzten Atemzügen, kam noch einmal zu sich und starrte mit großen blassen Augen ins Leere. Irgendetwas dämmerte ihr. Sie versuchte zu sprechen. Vorsichtig stützte Eadulf mit einer Hand ihren Kopf und hielt sein Ohr an ihre Lippen.Es klang mehr wie ein röchelnder Atem, dann ein lang anhaltendes Stöhnen,
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