Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
unpassend er eine solche Bemerkung fand.
Fidelma musste nicht daran erinnert werden, dass Ailills Vater, Mánach, ihrem Vater auf den Thron gefolgt war und nach dessen Tod zwanzig Jahre lang Herrscher des Königreichs gewesen war. Mánach war vor acht Jahren gestorben, und ein anderer Vetter war Thronfolger geworden. Als den die Pest dahinraffte, wurde Colgú, ihr Bruder, König. Die Thronnachfolge verlief keineswegs immer gradlinig, oft war sie etwas verwirrend, denn es kam nicht allein auf die Blutsverwandtschaft an, sondern vielmehr auf die Wahl im derbhfine , einem Rat, der aus Vertretern von drei Generationen des Clans bestand. Dieser Rat wählte das Oberhaupt, wobei die Eignung und Fähigkeiten der Person, in einem solchen Amt bestehen zu können, ausschlaggebend waren.
»Wir werden noch genügend Gelegenheit haben, uns näher kennenzulernen«, erwiderte Fidelma.
»Das will ich gern hoffen. Wenn meine Tochter erst einmal richtig auf der grandiosen Burg hier eingeführt ist, werde ich häufig Gast auf Cashel sein.«
Fidelma kämpfte gegen den aufwallenden Ärger an und suchte krampfhaft nach einer sachlich und harmlos klingenden Antwort.
Dankenswerterweise tauchte just in dem Moment Eadulf auf. Er entbot Drón und Ailill kurz seinen Gruß und sagte zu Fidelma: »Muirgen ist mit Alchú bereits im Hof, und Gormán hat unsere Sachen geholt.«
»Ihr verlasst beide die Burg?«, fragte Drón und verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln. »Das scheint ja ein wichtiger Auftrag zu sein, den du von deinem Bruder bekommen hast.«
»Es geht um eine Rechtsfrage«, entgegnete Fidelma kurz und bündig. »Du musst uns bitte entschuldigen.«
Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte sie sich um und lief, gefolgt von Eadulf, die Steinstufen hinunter, die auf den Haupthof führten. Als sie außer Hörweite waren, meinte Eadulf: »Ich mag Drón genauso wenig wie du. Wie kommt es, dass man bei manchen Menschen instinktiv spürt, dass man ihnen nicht trauen kann, und sich nicht mit ihnen anfreunden möchte?«
»Mir tut nur mein junger Vetter leid«, sagte sie mit einem kleinen Seufzer. »Ailill muss Drón hinterhertraben, als wäre er sein Diener.«
»Er ist doch längst mündig und ist nun wohl Dróns Leibwächter geworden«, sagte Eadulf. »Dabei macht er einen ganz vernünftigen und heiteren Eindruck. Wenn er glaubt, man behandelte ihn schlecht, müsste er doch nicht in Dróns Diensten bleiben. Er hat die Wahl, er könnte einfach gehen.«
Muirgen, die Amme, wartete mit Klein-Alchú an der Hand, um ihnen Lebewohl zu sagen. Auch wenn die bevorstehende Reise nur kurz war, bestand Fidelma dochdarauf, Muirgen auf alle Fälle auf eine längere Abwesenheit vorzubereiten. Man konnte nie wissen. Alchú stand mit einem störrischen und gequälten Gesicht da, denn er wusste, was das Abschiedsritual bedeutete. Der Kleine nahm sich zusammen, niemand sollte merken, dass er am liebsten losgeheult hätte, und Eadulf fühlte sich schuldig, als er sah, wie krampfhaft sich sein Sohn an die Hand der Amme klammerte.
Mitten in den Abschied hinein kam Dúnliath auf sie zu, wie immer mit gekünsteltem Lächeln.
»Reitest du schon so früh aus, Lady?«, fragte sie und schaute verwundert in die Runde. »Oder willst du auf die Jagd? Mein Vater hatte etwas von Jagd gesagt.«
»Nein, nicht auf Jagd. Ich habe Verpflichtungen als dálaigh zu erfüllen«, gab ihr Fidelma Auskunft und hoffte, Dúnliath würde sie nicht länger festhalten.
»Ach ja, natürlich. Ich vergesse immer, dass du so klug bist«, meinte Dúnliath ohne Arglist. »Das kann ich von mir nun gar nicht behaupten. An einem Tag wie diesem sitze ich am liebsten im Garten und lausche wundersamen Geschichten von Zauberei und Liebe. Einer eurer Barden hat mir von Étain und ihrer Liebeswerbung erzählt, eine wunderschöne Geschichte von ewiger Liebe. Meine Mutter hieß Eithne, und ihr Kosename war Étain. Kennst du die Geschichte?«
»Ich habe sie gehört, ja.«
»Étain, die Frau von Midir, wurde in eine Fliege verwandelt und …«
»Ich kenne die Geschichte«, wiederholte Fidelma nicht gerade freundlich. »Schön, dass du jemand gefunden hast, der sie dir erzählt. Ich muss jetzt aber fort.«
Das gekünstelte Lächeln wurde breiter. »Ja doch, ja. Tutmir leid, dass ich dich aufhalte. Aber es ist so wundervoll hier in Cashel, dass ich …«
Fidelma befürchtete, das Mädchen würde weiterschwatzen, und ließ sie einfach stehen, auch wenn ihr dabei nicht ganz wohl zumute war. Am
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