Die Philosophen der Rundwelt
fragte Ponder.
»Ja. Ich möchte den Rat wiederholen. Mangel an Abwesenheit in Hinsicht auf diesen Ort führt zweifellos dazu, dass Metall in den Körper eindringt.«
»Du sprichst mit Hilfe einer Metallkugel zu uns! Aber hier funktioniert keine Magie!«
»Man widerspreche keiner Stimme, die ›Lauf weg!‹ sagt«, meinte Rincewind. »Das ist ein guter Rat! Man stellt ihn nicht in Frage. Lasst uns von hier verschwinden.«
Er sah zum Bibliothekar, der mit wachsender Verwunderung an den leeren Regalen schnüffelte.
Rincewind hatte ein Gespür für die Tendenz des Universums, irgendetwas schief gehen zu lassen. Wenn es um Gefahren ging, fand er, konnte man Schlüsse gar nicht voreilig genug ziehen.
»Du hast uns durch eine Tür hierher gebracht, die nur in eine Richtung führt, stimmt’s?«, fragte er.
»Ugh!«
»Nun, wie lange brauchst du, um einen Ausgang zu finden?«
Der Bibliothekar zuckte mit den Schultern und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Regalen zu.
»Geht jetzt«, klang HEX’ Stimme aus der Kristallkugel. »Kehrt später zurück. Der Eigentümer dieses Hauses wird nützlich sein. Aber verlasst es, bevor Sir Francis Walsingham erwacht. Andernfalls tötet er euch. Nehmt ihm zunächst das Portemonnaie ab. Ihr braucht Geld. Zum Beispiel müsst ihr jemanden bezahlen, der den Bibliothekar rasiert.«
»Ugh?«
VIER
Die angrenzende Möglichkeit
Das Konzept des B-Raums, sprich des Bibliotheksraums, erscheint in mehreren Scheibenwelt-Romanen. Ein frühes Beispiel kommt in Lords und Ladies vor, einer Geschichte, die größtenteils von der Bosheit der Elfen handelt. Wir erfahren, dass Ponder Stibbons Leser unsichtbarer Schriften ist, und dieser Satz verdient (und erhält) eine Erklärung:
Beim Studium unsichtbarer Schriften handelte es sich um eine neue Disziplin, die nach der Entdeckung einer bidirektionalen Struktur des Bibliotheksraums entstand. Die entsprechende thaumische Mathematik ist sehr kompliziert, doch letztendlich läuft sie auf Folgendes hinaus: Alle existierenden Bücher beeinflussen sich gegenseitig. Das erscheint offensichtlich: Bücher in der Gegenwart inspirieren Bücher in der Zukunft und zitieren aus Büchern, die in der Vergangenheit geschrieben wurden. Nun, die Allgemeine Theorie* [* Es gibt auch eine Spezielle Theorie, aber niemand schert sich darum, weil sie ganz offensichtlich völliger Blödsinn ist. [Diese Fußnote ist eine Fußnote zu dem Zitat, welches im Original auch eine Fußnote ist. Es handelt sich also um eine Metafußnote.] des B-Raums postuliert, dass noch nicht geschriebene Bücher aus bereits verfassten deduziert werden können.
Der B-Raum ist ein typisches Beispiel für den Scheibenwelt-Brauch, ein gleichnishaftes Konzept zu nehmen und es zu verwirklichen. Das Konzept ist in diesem Fall als »Phasenraum« bekannt und wurde vor rund hundert Jahren von dem französischen Mathematiker Henri Poincaré eingeführt, um die Möglichkeit zu schaffen, geometrische Gedankengänge auf die Dynamik anzuwenden. Poincarés Metapher ist inzwischen in die gesamte Wissenschaft eingedrungen, wenn nicht sogar darüber hinaus, und wir werden sie verwenden, wenn wir die Rolle des Narrativiums bei der Evolution des Geistes erörtern.
Poincaré war ein geistesabwesender Akademiker, wie er im Buche steht – nein, betrachten Sie es lieber so: er war »irgendwo anders geistesanwesend«, nämlich bei seiner Mathematik, und man kann leicht nachvollziehen, warum. Wahrscheinlich war er der von Natur aus talentierteste Mathematiker des 19. Jahrhunderts. Wenn Sie solch einen Geist hätten, würden Sie auch die meiste Zeit anderswo verbringen und sich in der Schönheit des Matheversums ergehen.
Poincaré kannte sich fast in der gesamten Mathematik aus und schrieb auch ein paar sehr erfolgreiche populärwissenschaftliche Bücher. In einer Forschungsarbeit, die ganz allein eine neue »qualitative« Betrachtungsweise der Dynamik schuf, legte er dar, dass es bei der Untersuchung eines physikalischen Systems, welches mehrere verschiedene Zustände haben kann, vielleicht praktisch wäre, sowohl die Zustände zu betrachten, die es haben könnte, aber nicht hat, als auch den einen speziellen Zustand, in dem es sich befindet. Auf diese Weise schafft man einen Kontext, der es erlaubt zu verstehen, was das System tut und warum. Dieser Kontext ist der »Phasenraum« des Systems. Jeden möglichen Zustand kann man sich als einen Punkt in diesem Phasenraum vorstellen. Im Laufe der Zeit verändert
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