Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
früher hatte man das mal Bezirke oder Gettos genannt, und das waren sie eigentlich auch immer noch. Aber entlang des Flusses, desselben, der auch Friedenberg vom Rest der Welt trennt, lagen die funkelnagelneuen Eigentumswohnungen der Ultrareichen.
Die einzige Möglichkeit, noch teurer zu wohnen, war in einem der Hochhäuser am Michigansee. Wasser schlägt sich eben in Zahlen nieder, selbst wenn das Wasser acht Monate im Jahr vereist ist.
Ich fuhr am Gerichtsgebäude vorbei und warf einen Blick auf die Bradley Clock, die größte vierseitige Uhr der Welt. Sah den Miller Park zu meiner Rechten auftauchen und brauste dann über die Hone Bridge. Zehn Minuten später stellte ich meinen Jetta auf dem Besucherparkplatz des Polizeireviers ab, dort, wo ich früher einmal gearbeitet habe.
Beim Pförtner fragte ich nach Landsdown und Hammond. Ich hatte Glück, und sie waren im Haus.
„Na, wenn das mal nicht unser ‚Sechster Sinn‘ ist.“ Landsdown begrüßte mich mit meinem verhassten Spitznamen.
Ich ignorierte ihn einfach. Manchmal half das.
„Hattest du mit Sanducci Kontakt?“, fragte Hammond.
„Kürzlich nicht“, sagte ich und schummelte mich um die Wahrheit herum.
Er machte ein langes Gesicht. „Und warum bist du dann hier?“
„Vielleicht hat sie ihn ja mit ihrem Röntgenblick gesehen“, murmelte Landsdown.
„Warum habt ihr mich überhaupt um Hilfe gebeten, wenn ihr sowieso glaubt, dass alles hirnverbrannter Unsinn ist?“, wollte ich wissen.
„Weil du schon mit sehr gutem hirnverbranntem Unsinn aufgewartet hast.“
In diesem Punkt hatte er recht.
„So oder so“, fuhr Landsdown jetzt fort, „ob du nun echt bist, was ich bezweifle, oder eine Schwindlerin, was ich eher glaube, du und Sanducci – ihr zwei habt doch etwas miteinander. Selbst wenn du uns jetzt nicht sagen kannst, wo er ist, stoßen wir vielleicht zufällig auf ihn, wenn er nach einem Schäferstündchen aus deiner Wohnung stolpert.“
Einen Moment lang schweiften meine Gedanken ab, denn diese Art Schäferstündchen hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Und Sanducci hatte sich als Schäfer verdammt gut gemacht.
„Darauf würde ich mich nicht verlassen“, sagte ich. „Ich habe auch noch ein paar Fragen.“
Die beiden sahen sich an und zuckten die Achseln, was ich als Zustimmung deutete.
„Habt ihr den Bericht von der Gerichtsmedizin schon?“
„Noch nicht.“
Lüge.
„Wisst ihr, warum Sanducci überhaupt hier in der Stadt war?“ Vielleicht half mir diese Information, ihn zu finden.
„Seinem Manager zufolge“, sagte Landsdown, „wollte Sanducci Aufnahmen mit Springboard Jones machen.“
„Dem Basketballer?“
„Kennst du noch mehr Leute mit dem Namen Springboard?“
Ausgezeichnetes Argument.
Springboard, eigentlich Leroy, war Milwaukees hauseigener Michael Jordan. Mit den City Highs hatte er es bis zur Landesmeisterschaft im Kohl Center gebracht, und die Badgers hatte er sogar ins Final Four geschleppt. Die Scouts der Profivereine gaben ihm Platz drei auf der Liste der begehrtesten Nachwuchsspieler. Und nun sollte er schon bald für unseren eigenen Club, die Milwaukee Bucks, spielen. Springboard hatte Karriere gemacht, und alle liebten ihn dafür. Trotzdem…
„Jimmy ist doch kein Sportfotograf.“
„Bei dem Job ging es um das Cover von Sports Illustrated“, erklärte mir Hammond. „Mann des Jahres oder irgend so ein Schwachsinn. Dafür wollten sie nur das Beste.“
Und das war Jimmy, in vielerlei Hinsicht.
„Hat er das Foto gemacht?“
„Nein, es war für heute Abend acht Uhr angesetzt.“
„Und wo?“
„City High.“
Ich runzelte die Stirn. Nur ein paar Meilen nördlich der kleinen Stadt und ihren strahlenden Lichtern veränderte sich die Gegend – sehr. Mietskasernen. Ausgebrannte Häuser. Verwahrloste Grundstücke, verfallene Gehwege. Vernagelte oder vergitterte Fenster. Nur schwer konnte ich mir vorstellen, dass Jimmy seine kostbaren Kameras nach Einbruch der Dunkelheit nördlich der Dritten schleppen würde, auch nicht für Sports Illustrated.
„Ich dachte, die hätten die Schule längs abgerissen.“
Asbest in der Decke und im Boden, das war in den Gebäuden aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren keine Seltenheit. Viele Bauunternehmer hatten sich damit eine goldene Nase verdient.
„Nächste Woche. Wahrscheinlich wollte Sanducci den alten Zaubervon damals noch einmal auferstehen lassen, wo alles angefangen hatte.“
Das konnte ich mir lebhaft vorstellen: ein staubiges
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