Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
solange du seine Kette trägst“, sagte Jimmy.
„Wie schön, wenn ich es auch gewusst hätte.“ Ich rieb mir die Arme. Auch wenn die Brise für einen Maiabend lau war, fröstelte mich.
Manchmal fragte ich mich, warum ich den Stein überhaupt noch trug. Anfangs war der Türkis der einzige Schmuck, den ich besaß – wunderschöne klare Farben in einer tristen grauen Welt. Außerdem trieb der Stein Jimmy in den Wahnsinn, was immer Spaß machte und einen weiteren Anreiz darstellte, ihn zu tragen. Am Ende fühlte ich mich ohne den Stein nackt. Und wenn ich ehrlich war, auch schutzlos.
Ich warf dem Berglöwen einen raschen Blick zu. War das der Grund?
„Er konnte doch nie und nimmer wissen, dass ich seinen Anhänger immer noch trage“, murmelte ich.
„Ich wette, genau das hat er gewusst.“
„Aber…“
„Er würde dich nie im Leben umbringen, Lizzy.“ Jimmy verzog den Mund. „Was mich betrifft – da sieht die Sache schon anders aus.“ Mit schnellen Schritten ging er auf die Scheune zu.
„Warte doch mal!“ Ich rannte hinter ihm her und hielt ihn am Arm fest.
„Lass uns hier erst alles in Ordnung bringen, und dann machen wir uns auf.“
„Wohin denn?“
„Das weißt du ganz genau.“
„Nein.“
Er schüttelte mich ab und ging weiter.
„Da will ich nicht hin, Sanducci. Und du kannst mich nicht dazu zwingen.“ So schnell war er herumgewirbelt, dass ich einen Schritt zurücktrat. „Ich kann dich zwingen, und das werde ich auch, Lizzy. Wir haben keine andere Wahl.“
„Man hat immer eine Wahl.“
„Hierbei nicht.“
Er verschwand in der Scheune; ich blieb draußen stehen und spielte mit dem Gedanken, einfach in den Hummer zu steigen und ihn alleine zurückzulassen. Aber wie würde es dann weitergehen?
Ich müsste mich verstecken. Vielleicht für immer. Und das wollte ich nicht.
Stattdessen folgte ich Jimmy in die Scheune, fest entschlossen, ihn davon zu überzeugen, dass sein Plan beschissen war.
Die Sattelkammer war völlig demoliert – die Matratze zerfetzt von den rasiermesserscharfen Katzenkrallen und die Füllung in alle vier Himmelsrichtungen verstreut. Das Bettgestell war völlig verbogen, eine Ecke lehnte noch an der Wand, während die andere auf dem Boden lag; die restlichen beiden schwangen auf und ab wie eine übergroße Wippe.
Als ich eintrat, klappte Jimmy gerade sein Handy zu. Mit der einen Hand katapultierte er es in seine Tasche, mit der anderen kramte er ein T-Shirt hervor. „Zieh das hier an.“ Er warf es mir zu. „Deine Bluse ist hin.“
„Und wessen Schuld ist das?“, erwiderte ich.
„Ich habe dir gerade einen Ersatz dafür gegeben. Hör auf, so zickig zu sein.“
Ich hielt das T-Shirt hoch. „Van Halen?“
Er zuckte die Schultern, als wollte er sagen: Du weißt doch, wie das läuft.
Das wusste ich.
Jimmy bekam alle möglichen Sorten von T-Shirts geschenkt. Er trug sie zu Jeans und Trainingsjacke und wurde selbst schon oft damit in London, Paris oder Rom fotografiert. Was ursprünglich als Gag gedacht war, entwickelte sich zu seinem Markenzeichen. Wenn Sanducci dein T-Shirt trug, bedeutete das, er ließ sich dazu herab, dich zu porträtieren. Du hattest es geschafft.
Ich musste daran denken, wie er damals das Foto von Van Halen – Eddie, Alex, Michael, Sammy und David Lee – gemacht hatte. Niemand wusste, wie er es geschafft hatte, sie alle zu dieser Aufnahme zusammenzubringen. Und wie er sie dazu gebracht hatte zu posieren, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen – das grenzte schon an ein Wunder. Das Bild hatte ihr letztes Album „All-Time Hits“ geziert. Drei Millionen Mal hatte es sich verkauft. Ich besaß auch ein Exemplar.
Jimmy war wieder nach draußen gegangen. Schnell zog ich die Schuhe über meine schmutzigen Strümpfe, befreite mich von den Blusenresten und streifte das T-Shirt über. Es roch nach ihm, und wieder überwältigten mich die Erinnerungen. Würde ich jemals aufhören, Jimmy Sanducci zu lieben? Oh Gott, ich hoffte es so.
Als ich aus der Scheune kam, kniete Jimmy neben Springboard und stopfte ihm irgendetwas in die Tasche.
„Was machst du denn da?“
„Bereite alles schön vor für deine Bullenfreunde.“
„Was?“
Er seufzte und holte dieses Etwas wieder aus Springboards Hosentasche heraus.
„Ruthies Kruzifix? Woher hast du das? Sie hat es doch nie…“ Ich hielt inne.
Sie hatte es nie abgenommen, solange sie am Leben war.
„Bist du noch mal zurückgegangen?“, fragte ich.
Er bückte sich, um das
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