Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Es wird wie ein Unfall aussehen, ich kriege das schon hin.“
Zehn Minuten später schossen lichterloh die Flammen in den strahlend blauen Himmel. Jimmy kam zurück, aber anstatt zum Wagen, wollte er noch einmal in den Ort zurückgehen. „Wir müssen uns davon überzeugen, dass keiner mehr dort ist.“
„Glaubst du, es gibt da noch jemanden?“
„Nein. Werwölfe sind ziemlich gründlich. Aber wir gehen lieber auf Nummer sicher.“
Er brauchte nicht extra zu betonen, dass wir beides, also Menschen und Nichtmenschen, suchten. Beim Benzinholen hatten wir gleichzeitig unseren Vorrat an Silberkugeln aufgefüllt.
Es war schon Nachmittag, als wir unsere Suche durch die Häuser und Geschäfte beendet hatten. Wir hatten niemanden mehr gefunden, weder tot noch lebendig und auch nichts dazwischen. Ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, wusste ich nicht so genau. Ich beschloss jedoch, nicht weiter darüber nachzudenken. Ja. Allmählich gewöhnte ich mich an den Job.
„Wir waschen den Kram ab, nehmen uns ein paar saubere Klamotten, etwas zu essen und dann ab durch die Mitte.“
Der Gedanke, Dinge von Toten zu benutzen, gefiel mir gar nicht, aber was blieb uns anderes übrig? Wir konnten ja schlecht, so wie wir waren, in Blut und Asche durch Kansas fahren. Da würden wir mit Sicherheit böse Blicke ernten.
„Das ist das Richtige.“ Jimmy wies auf ein dreistöckiges Haus mit roten Schindeln und zartblauer Fassade. Die Fensterläden waren weiß, und im Garten blühten überall Frühlingsblumen, als wollten sie den Qualm und den Geruch von Tod Lügen strafen.
Er nahm die Treppenstufen zur Veranda und marschierte direkt in das Haus hinein. Niemand verriegelte hier seine Türen. Das hatte ich bei unserer Suche nach Überlebenden und Werwölfen bereits festgestellt.
Kühl und dämmrig war es in dem Haus, alle Rollos waren noch unten. Die Besitzer waren an diesem Morgen nicht wieder aufgewacht. Sie waren ein klein wenig tot.
Erschöpft massierte ich mir die Stirn und hoffte, mein Gedankenkarussell würde einen Moment lang stillstehen.
„Warum gerade das?“
„Ein junges Paar, ungefähr unser Alter und unsere Größe“, antwortete er knapp. „Ich dusche zuerst.“ Er ging nach oben.
Zunächst öffnete ich den Mund, um ihm zu widersprechen, doch ich schloss ihn rasch wieder, als mein Blick auf ein Foto im Wohnzimmer fiel. Sofort vergaß ich Jimmys egoistisches und machohaftes Benehmen, das Bild zog mich magnetisch an.
Das hätten wir sein können. Oder die Menschen, die Jimmy und ich vielleicht hätten werden können, wenn wir anders gewesen wären. Zum Teufel…
„Wenn einer von uns jemals Mensch war“, murmelte ich.
In einer anderen Welt.
Der Mann war dunkelhaarig, seine Frau hatte blondes Haar. Dem Bild nach zu urteilen, hatten sie erst im Frühling geheiratet, vielleicht im letzten oder auch erst in diesem. Schwer zu sagen.
Ein großer schlanker Mann in einem dunklen Anzug, der perfekt zu seinem Teint passte, und eine vor Freude strahlende Braut in einem elfenbeinfarbenen Etuikleid. Sie trug keinen Schleier, ihre blonden Locken fielen ihr üppig auf die Schultern herab.
Das ganze Leben hatten sie noch vor sich.
Jetzt nicht mehr.
Ich setzte meine Runde durch den Raum fort und schaute mir noch mehr Bilder an. Das glückliche Paar beim Skifahren. Tanzend. Die Frau und ihre Eltern. Der Mann mit seinen. Beide mit ihren Geschwistern. Mir kam es so vor, als kenne ich ein paar von ihnen vom Sport. Als ich meine Runde beendet hatte, durchrieselte mich ein Schauer.
Oben hörte ich immer noch das Wasser laufen. Ich machte mich auf die Suche nach einem zweiten Badezimmer. Im ersten Stock fand ich auch eins, doch leider nur mit Waschbecken und Toilette. Dann stapfte ich die Stufen hoch zur nächsten Etage, um Jimmy aus der Dusche zu werfen, bevor er noch das ganze heiße Wasser aufbrauchte.
Ich hätte ja zum Duschen bloß ins Nachbarhaus zu gehen brauchen, aber in diesem Moment war mir nach Streit zumute. Ich brauchte das. Ich war stocksauer. Ich hatte Angst. Ich musste mich abreagieren. Und Jimmy bot sich förmlich als Opfer an.
Im zweiten Stock versuchte ich erst einmal, mich zu orientieren – Schlafzimmer, Gästezimmer, Büro…
„Scheiße…“, murmelte ich und starrte auf die pastellgrüne Tapete, auf denen sich Giraffen und Elefanten tummelten. Möbel gab es keine. Noch nicht.
Ob sie wohl schwanger gewesen war oder es sich bislang nur gewünscht hatte?
Ich wusste es nicht, würde es auch
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