Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Zigarettenspitze zischte bei seinen Handbewegungen durch die Luft. „… Gott. Geistern. Engeln. Wer weiß das schon. Jeder lenkt hier ihr oder sein kleines Universum. Man muss darüber nicht sprechen oder eine Versammlung abhalten.“
„Nein“, pflichtete ich ihm bei. „Aber ihr habt doch bestimmt ein geheimes Erkennungszeichen.“
Er warf mir einen bösen Blick zu. Ich zuckte die Achseln. Manchmal konnte ich mich einfach nicht beherrschen.
Mit einem Mal war es kühl geworden, typisch für die Wüste. In meinen Augen war es weise, die Namen der Seher geheim zu halten. Je weniger Leute über sie Bescheid wussten, desto geringer die Möglichkeit, dass ein Nichtmensch sie tötete. Aber irgendwie war dieser Plan fehlgeschlagen.
Die Sicherheitsbestimmungen der Föderation waren verletzt worden, und wir wussten weder von wem noch auf welche Weise. Aber wer für das Aufspüren des Täters verantwortlich sein würde, das wusste ich.
„Niemand kennt die Identität des Sehers oder der Seherin, mit Ausnahme der Dämonenjäger?“
„Ja. Und diese sind wiederum nur dem Seher bekannt und vielleicht einem Dämonenjäger, mit dem sie mal zusammengearbeitet haben.“
Angestrengt starrte ich auf den Boden und versuchte, das Rätsel zu entschlüsseln, aber es war kompliziert und ich müde.
„Heute Abend werden wir es nicht mehr lösen“, murmelte Sawyer. „Wir können uns glücklich schätzen, wenn es uns überhaupt gelingt.“
Ich hob den Kopf. Sawyer war verschwunden. Sein Glimmstängel war es ebenfalls, doch der Geruch hing noch in der Luft.
Seine körperlose Stimme wirbelte um mich herum. „Wir fangen morgen an.“
„Ich möchte lieber nicht“, murrte ich.
„Jeder Tag, jede Stunde, die wir verlieren, kann jemanden das Leben kosten. Je mehr Seher und Dämonenjäger wir verlieren, desto mehr Unschuldige werden sterben.“
Ich schloss die Augen und dachte dabei an Hardeyville.
„Geh ins Bett, Phoenix.“
Ich schlug die Augen wieder auf und betrachtete zunächst das Hogan und dann das Haus. Eigentlich wollte ich in keinem von beiden schlafen.
Natürlich konnte ich auch im Wagen, in der Schwitzhütte oder unter dem Verandadach schlafen. Ungemütliche Schlafplätze, doch sie hatten einen großen Vorteil.
Sie boten nur Platz für eine Person.
Zu guter Letzt habe ich doch im Haus geschlafen, denn ich hatte auf die Toilette gemusst und war beileibe keine Verächterin von Wasserspülung. Wer weiß, was dort draußen in der Dunkelheit auf mich lauerte. Selbst wenn es nur die ganz gewöhnlichen fiesen Krabbeltiere waren, mit nacktem Hintern wollte ich mich ihnen in der Wüste nicht gerne präsentieren.
Beim letzten Mal hatte ich sehr schnell gelernt, nach Einbruch der Dunkelheit in meinem Zimmer zu bleiben, damit ich keine Dinge sah, auf die ich mir keinen Reim machen konnte.
Wie zum Beispiel Sawyer nackt und blutüberströmt aus der Wüste kommen zu sehen, mit einem wilden, wirren Blick in den Augen. Jetzt ergab das natürlich viel mehr Sinn als damals.
Natürlich hatten wir nie darüber gesprochen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte mir unmissverständlich klargemacht, dass er mir, hätte ich gefragt, den Hals umgedreht hätte. Davon war ich auch heute noch überzeugt.
Als ich im Haus war, fand ich außer einer verschlossenen Schlafzimmertür keine Spur von Jimmy. Ich nahm an, dass er schlief oder so tat, als schliefe er, aber ich sah nicht nach. Im Moment würde jeglicher Kontakt mit Jimmy doch nur zu einem Streit führen – wann nicht? –, und ein Streit könnte wiederum…
In Gedanken stellte ich mir vor, was sich alles im Schlafzimmer mit Jimmy Sanducci ereignen könnte. Aber es in Sawyers Haus zu tun, in Sawyers Bett, mit Sawyer direkt im Nebenzimmer…
Das würde wohl nicht passieren.
Ich schlief sofort ein. Das war der erste Fingerzeig, denn normalerweise brauchte ich mindestens eine halbe Stunde, bevor ich wegdöste. Und mit all den Fragen, Problemen und Männern, die mir durch den Kopf geisterten, hätte es mir eigentlich überhaupt nicht gelingen dürfen. Doch sobald ich die Augen geschlossen hatte, befand ich mich in Ruthies Welt.
Ihr Haus war wieder voll. Eigentlich hätte das Kindergeschrei meine Laune heben sollen, aber da ich wusste, dass diese Kinder nur hier sein konnten, weil sie bereits tot waren, hielt sich meine Freude in Grenzen.
Ich lief durch den Vorgarten zum Hof. Das erste Kind, das ich sah, trug eine Little-League-Baseballkappe. Warum kam sie mir nur so vertraut und
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