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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Freude oder Angst auslösten. Deshalb hatte ich es auch im Auffinden vermisster Personen zu einiger Meisterschaft gebracht. Oft verschwanden die Leute nämlich nach heftigen emotionalen Ereignissen: Streit in der Familie, einem Überfall, einer Entführung, einem Mord.
    Was ich von Sawyer gelernt hatte, war, selbst entscheiden zu können, was ich wahrnehmen wollte und was nicht – meistens klappte es auch. Andernfalls würde ich bei einer zufälligen Berührung auf der Straße Dinge in Erfahrung bringen, die ich gar nicht wissen wollte. Bei Sawyer war es so, dass er mich nicht sehen ließ, was ich sehen wollte.
    „Du wehrst mich ab“, sagte ich.
    „Natürlich.“
    „Hast du etwas zu verbergen?“
    „Hat das nicht jeder?“
    „Lass mich rein.“
    Auf einmal spürte ich seine Hände auf meinen Unterarmen. Er hielt mich an sich gepresst, und ich konnte nicht mehr weglaufen, was ich plötzlich – eigentlich immer – tun wollte. „Nein“, murmelte er.
    „Dann lass mich los.“
    Seine heißen Lippen glitten über meine kühle Stirn. „Niemals.“
    Als wir mit den Unterkörpern aneinanderstießen, spürte ich etwas, das ich schon Dutzende Male gespürt hatte, doch noch niemals bei ihm. Mit einem heftigen Ruck riss ich mich los und drehte mich um.
    Im Eingang des Hauses stand Jimmy.

 
    19
    U nd, was hast du gesehen?“, fragte Jimmy.
    Wut stieg in mir hoch. Wie lange hatte er dort wohl schon gestanden? Hätte er auch noch zugeschaut, wenn ich der Versuchung nachgegeben und Sawyer an Stellen berührt hätte, an denen ich eigentlich immer noch Jimmy berühren wollte?
    In seinem Gesicht und in seinen Augen konnte ich nichts lesen. Er stand an die Tür gelehnt da und ließ seine Blicke zwischen mir und Sawyer hin- und herwandern, während er auf meine Antwort wartete.
    „Beiß mich doch“, murmelte ich und bedauerte es gleich darauf. Beide Männer – und ich verwende den Begriff hier im weiteren Sinn – wären genau dazu in der Lage und auf eine Art, die ich mir lieber gar nicht vorstellen mochte.
    „Ist er da gewesen?“, drängte mich Jimmy. „Hat er Ruthie umgebracht?“
    „Ich weiß es nicht“, bekannte ich. „Er kann…“
    Ich wusste nicht so recht, wie ich meine Erfahrungen in Sawyers Kopf beschreiben sollte. Einerseits hatte er mir in so viele Dinge Einblick gewährt, andererseits hatte er sich auch vor mir verschlossen, wie ich es noch nie zuvor bei jemandem erlebt hatte.
    „Er kann was?“, fragte Jimmy.
    „Er kann mich abwehren.“
    Jimmys Miene verfinsterte sich. „Dann verheimlicht er uns etwas.“
    „Vielleicht möchte ich bloß nicht, dass jemand in meinem Kopf Gedanken und Erinnerungen pflückt wie reife Äpfel“, sagte Sawyer nicht unberechtigt.
    „Das macht sie doch gar nicht.“
    „Hat sie dich schon mal angefasst und gesehen, was du so treibst?“
    Es entging Sawyers Aufmerksamkeit nicht, wie ich bei seinen Worten zusammenzuckte, und er lächelte höhnisch. „Ich hab mich schon gefragt, warum du so plötzlich von der Bildfläche verschwunden warst, mein Kleiner. Hätte ich mir doch denken können, dass dich dein Schwanz in Schwierigkeiten bringen würde.“
    Jimmy drehte sich um und ging davon. Darin war er wirklich gut.
    „Phoenix“, sagte Sawyer sanft.
    Gegen meinen Willen sah ich ihn an. Und sofort war alles wieder da: die Glätte seiner Haut, seine Gedankenwellen und die Äonen seines Alters.
    „Wie alt bist du?“
    „Ich hab aufgehört zu zählen.“
    Kein Wunder, dass niemand ihn töten konnte. Je länger eine Person lebte, desto weiser wurde sie, und Weisheit war schließlich Macht. In Sawyers Fall konnte man das durchaus wörtlich verstehen.
    „Bist du dort gewesen?“ Ohne genau zu wissen, warum, war mir die Frage herausgerutscht. Er würde sowieso nicht die Wahrheit sagen. Ich glaube, er wusste nicht einmal, wie das ging. „Bei Ruthie?“
    „Nein.“
    Nun ja. Das war auf jeden Fall die reinste Zeitverschwendung, denn ich glaubte ihm kein Wort. Aber genauso wenig konnte ich mir vorstellen, dass er den ganzen Weg nach Milwaukee auf sich genommen hatte, um sich mit einem Pulk von Gestaltwandlern zu verbünden und Ruthie zu töten. Wenn er sie hätte aus dem Weg räumen wollen, dann hätte er es alleine und auf diskretere und weniger blutige Weise tun können.
    „Selbst wenn ich da gewesen wäre“, sein Blick wanderte zu dem Haus, in das Jimmy sich zurückgezogen hatte, „wäre ich nicht allein gewesen.“
    „Ich weiß, dass er da war. Er hat versucht, sie zu

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