Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
wäre.“
Das war es also.
„Jimmy, also…“ Ich brach ab, unsicher, ob ich ihr von Jimmys kurzem Zusammenbruch erzählen sollte. Was machte man denn mit Dämonenjägern, die es nicht mehr brachten? Schickte man sie an einen Ort wie Hardeyville, nur ohne Silberkugeln?
„Ich weiß“, sagte Ruthie flüsternd.
Natürlich wusste sie es.
„Jetzt scheint es ihm wieder gut zu gehen.“ Abgesehen von seiner Marotte, ständig mit Sawyer zu streiten.
„Es geht ihm gut.“
„Hatte er das schon früher?“
„Noch nie.“
„Noch nie?“ Ich runzelte die Stirn. „Na ja, es war schon sehr schlimm. All diese Kinder. Das…“ Ich warf einen Blick auf den Kinderwagen.
Ruthie zog ihre Brauen in die Höhe, dass sie fast ihre grau melierten Locken berührten. „Du glaubst also, dass Jimmy wegen Hardeyville ausgerastet ist?“ Sie schüttelte dabei ihren Kopf. „Lizbeth, er hat schon hundertmal Schlimmeres gesehen.“
„Schlimmeres?“, wiederholte ich. Niemals im Leben wollte ich etwas noch Schlimmeres sehen.
„Jimmy macht das schon, seit er achtzehn ist, aber bislang immer nur allein.“
„Dann glaubst du also…“ Ich stockte. „Du glaubst also, es wäre leichter für ihn mit einem Partner, aber andererseits…“
„Zum ersten Mal hat er das Blutbad durch deine Augen gesehen und begriffen, dass er dich dabei hätte verlieren können.“
„Er hat mich doch schon vor langer Zeit verloren.“ Vielleicht war „verloren“ nicht so ganz das richtige Wort. Weggeworfen hatte er mich. „Warum sollte es ihm also jetzt plötzlich etwas ausmachen?“
„Glaubst du nicht, dass es ihn umbringen würde, dich sterben zu sehen? Würde es dich denn nicht auch umbringen, ihn sterben zu sehen?“
In Anbetracht der Tatsache, dass ich mir schon viele schmerzhafte Todesarten für Jimmy ausgedacht hatte, schwieg ich lieber. Insgeheim war mir aber bei der Vorstellung, Jimmy könnte vor meinen Augen sterben, nicht besonders wohl.
„Springboard hat versucht, mich abzuknallen“, warf ich ein. „Da hat Jimmy auch nicht angefangen zu greinen.“
„Das war unerwartet, und er hatte, genau wie du auch, nur noch Zeit, schnell darauf zu reagieren. In Hardeyville war es anders.“
„Das steht schon mal fest.“
„Jimmy hat schon immer gewusst, dass du eine Seherin wirst. Es war dein Schicksal, genau wie es sein Schicksal war, ein Dämonenjäger zu werden. Aber Seher werden beschützt. Sie stehen nicht an vorderster Front. Bis auf dich jetzt.“
„Harte Zeiten“, murmelte ich.
„Harte Mittel“, sagte sie zustimmend.
So ganz genau wusste ich nicht, was ich von alldem halten sollte. Wenn ich Ruthie Glauben schenkte, und warum hätte ich das nicht tun sollen, dann hatte Jimmy immer noch Gefühle für mich. Ich hatte gelernt, mit der Trennung zurechtzukommen, und auch damit, dass er mich nicht mehr liebte oder vielleicht auch nie geliebt hat. Wie sollte ich damit umgehen, dass er Angst um mein Leben hatte, dass er fürchtete, mich könnte ein Werwolf verspeisen?
Ich schüttelte den Kopf. Ich musste meine Überlegungen auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Es gab zu viele dringlichere Probleme.
„Sawyer behauptet, dass immer mehr Seher und Dämonenjäger sterben.“
Ruthies Gesichtszüge erstarrten. „Ich weiß.“
„Gibt es irgendeine Person, die die Namensliste der Mitglieder der Föderation hat?“
„Es gibt keine Liste. Es war alles hier oben.“ Sie tippte sich an den Kopf. „Sie hätten sich schon nacheinander bei dir vorgestellt, sobald alles vorbereitet gewesen wäre. Geleitet werden sie von einer inneren Stimme, derselben Stimme, der sie auch ewige Treue geschworen haben. Du wirst ihre Stärken und Schwächen und ihre Loyalität einschätzen können, nachdem du sie berührt hast.“
„Wenn es keine Liste gibt und du tot bist, wie kann…“
„Wer Macht über die Nephilim hat, ist viel stärker als ich. Ich habe vergeblich versucht herauszufinden, wer dahinter steckt und wie er es macht.“
Gerade wollte ich einen Fluch loswerden, aber meine Lippen brannten noch vom letzten Klaps.
„Warum bin ich jetzt hier? Muss noch eine Stadt gerettet werden?“ Obwohl nach den Vorfällen in Hardeyville „retten“ wohl kaum das treffende Wort war.
„Bestimmt muss noch eine gerettet werden, aber nicht von dir.“
„Ich kann aber.“ Meine Stimme klang zu eilfertig. „Kein Problem. Wenn du mich brauchst – ich bin sofort da.“
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Du versuchst es immer wieder.
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