Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Küssen eines Mannes so erregt, dass ich immer kurz davor stand zu kommen. Ich fragte mich, ob er vielleicht in der Wüste ein magisches Ritual unter dem Mond vollzogen hatte und jetzt über das Haus hier, ihn und mich, über uns einen Zauber gelegt hatte.
Er hob den Kopf. Das schwache Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen und glitzerte auf seinen feuchten Lippen; es nahm seinem Gesicht jegliche Farbe, sodass er aussah wie auf einer alten Sepiazeichnung, ein Wesen aus der Vergangenheit, gefangen in der Zeit, trotz der brennenden Hitze seines Körpers. Dann schloss er die Augen und drang in mich ein.
Ich kam augenblicklich und heftig. Ich schrie. Nicht seinen Namen, so weit weg war ich nicht, aber wild und zufrieden: eine unschuldige Frau, deren dunkle Seite aufgebrochen ist.
Und mein Schrei fand eine Erwiderung. Wild und frei. Anders. Und Sawyer legte den Kopf zurück und schrie ebenfalls, während er sich wieder und wieder und wieder in mir ergoss.
Mein Körper zuckte noch, ich war heiß, innen wie außen, als Sawyer sich aus der Umarmung löste, aufstand und das Zimmer verließ. Ich war so überrascht, dass ich ihm nicht gleich folgte. Hatte ich im Ernst erwartet, er würde mich jetzt liebkosen?
Dafür war er nicht der Typ. Aber die obligatorischen Minuten „danach“ hätte er ruhig abwarten können. Nicht dass sich Sawyer je um Anstand und Regeln geschert hätte.
Wütend sprang ich auf und lief nach draußen, aber er war nirgends zu sehen.
Ich rannte zum Hogan hinüber, riss den Webteppich beiseite und ließ meinen Blick durch den leeren Raum fahren, als von den Bergen her ein tiefes, einsames Heulen zu hören war.
Ich erwartete einen Besuch von Ruthie, doch sie kam nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich so schlecht schlief. Und ohne Schlaf keine Träume und ohne Träume keine Ruthie.
Während ich auf Sawyer wartete, nickte ich weg, doch beim kleinsten Windstoß, dem Rascheln eines Eichhörnchens oder dem Knarren eines Baumes, schreckte ich sofort hoch. Als es dämmerte, war ich noch erschöpfter als am Vorabend und mit der Suche nach meiner visionären Kraft noch kein Stück weitergekommen.
Als Seherin würde ich total versagen. Nicht dass ich mich um diesen Job gerissen hätte, doch nun, da ich die Sache schon mal am Hals hatte, wollte ich nicht gerade der Welt schlechteste Seherin sein.
„Komm schon“, flüsterte ich. „Lass mich sehen. Ich bin bereit und willig.“ Aber hatte ich die Gabe wirklich?
Ich richtete mich auf, und der Raum verschwamm vor meinen Augen. Mir wurde so schlecht, dass ich mich am liebsten übergeben hätte. Ich schloss die Augen und – siehe da! – ein Mann.
Vielleicht war Mann nicht das treffende Wort.
Strega , wisperte Ruthie.
Gut aussehendes Gesicht, schmal, die Knochen der Wangen und Nase markant, die olivfarbene Haut war so glatt und straff, dass er kaum Falten hatte, doch seine unergründlich schwarzen Augen waren uralt.
Die Haare waren aus der Stirn zurückgekämmt und reichten bis auf die Schultern; ebenholzfarbene Wellen, in denen sich goldenes Kerzenlicht spiegelte. Hier und da waren Rauchfahnen zu sehen, die sich aber im Luftzug augenblicklich auflösten.
Seine langgliedrigen und sensiblen Hände, die mir eigenartig vertraut vorkamen, glitten über eine vor ihm auf dem Tisch stehende Schüssel mit einer Flüssigkeit. Dabei bewegten sich seine Lippen im Rhythmus eines Mantras, das ich nicht hören konnte. Im Zwielicht schlug die dunkelrubinrote Flüssigkeit kleine Wellen. Es sah verdächtig aus nach…
„Blut.“
Bei dem Wort hob er den Kopf und sah mich nachdenklich an. Ob er mich gehört hatte?
Allein der Gedanke, dieses Geschöpf – was immer Strega bedeutete – könnte mich genauso sehen wie ich ihn, ließ mir das Herz bis zum Halse schlagen. Er schien einen Zauberspruch auszusprechen, also musste er eine Art Magier sein. Das würde ich später schon noch herausfinden.
Ich versuchte, so viel wie möglich von der Vision aufzunehmen. Der Mann trug einen schwarzen Anzug mit einem Hemd und einer Krawatte, die ebenfalls schwarz waren. Eigentlich hätte er nach einer Beerdigung aussehen sollen, aber stattdessen wirkte er ausgesprochen elegant. Vielleicht lag es an seiner aufrechten Haltung, die den Eindruck vermittelte, jemand – oder etwas – Mächtiges stecke hinter den Klamotten. Gleichsam modern und altmodisch wirkte er – das Kerzenlicht und die Schale mit Blut bildeten einen Kontrast zu seinem modischen Anzug und der
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