Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
sicher.“
„Nein“, gab er zu. „Aber ich weiß, wo du gefunden wurdest.“
Ich war gerade dabei, meine Schuhe anzuziehen, vor allem, um besser zutreten zu können. Dabei riss ich den Kopf hoch. „Wo denn?“
„In Cairo.“
31
D as wird ja immer verrückter“, sagte ich.
„Erinnerst du dich daran, wie du zu Ruthie geschickt wurdest?“
„Natürlich. Ich war zwölf. Außerdem erinnere ich mich ohnehin so ziemlich an alles“, quälend detailreich sogar , „seit ich etwa drei war.“
„Du bist vorher nicht auf dem Radar aufgetaucht, sonst hätte dich die Föderation schon viel früher aufgegriffen.“
„Pech für mich.“
Ich hatte keine guten Erfahrungen mit Pflegeunterbringungen gemacht – bevor ich zu Ruthie kam. Ich war irgendwie anders, wusste Dinge, die ich nicht wissen konnte, fiel auf – und bei Pflegekindern galt die Faustregel: Benimmst du dich dreimal daneben, sitzt du wieder auf der Straße.
„In den Akten stand aber nichts über deine Fähigkeiten“, fuhr Sawyer fort.
„Nein?“ Das überraschte mich gar nicht. Die meisten Leute verstanden ja auch nicht, warum sie sich in meiner Gegenwart nicht wohlfühlten, sie wussten nur, dass es so war.
Ich meine, als ich klein war, wusste ich nicht, dass außer mir nur ganz wenige Menschen die Fähigkeit hatten, anhand einer einzigen Berührung Dinge zu sehen. Ich selbst hielt es für normal und sprach auch darüber. Und schon war ich in der nächsten Pflegefamilie. Aber niemand, der halbwegs bei Verstand war, hätte gesagt: Nehmt das Kind zurück, es kann Gedanken lesen . Also hatte ich den Schlaumeier-Stempel weg, lange bevor ich wirklich einer war. Man nehme diese Voraussetzung, gebe noch die Eigenschaften respektlos , undankbar und verrückt dazu, wähle als Beilage die Beschuldigungen Diebin , Schlampe und Junkie (als ich älter wurde), und schon hat man das perfekte Rezept für das, was dann schon bald aus mir wurde.
Ein Ausreißer.
Auf der Straße ging es mir besser. Dass ich in die Leute hineinsehen konnte und wusste, was für Menschen sie waren, führte dazu, dass mir wesentlich weniger Unheil widerfahren ist als den meisten anderen Straßenkindern. Die schlimmsten Sachen habe ich an den Orten erlebt, an denen ich eigentlich gut aufgehoben sein sollte.
„Und wie ist die Föderation auf mich gekommen, als ich zwölf war?“
„Du weißt doch, dass die Mitglieder überall sind?“
„Bullen, Krankenschwestern, Regierungsbeamte. Ich nehme an, ein paar waren auch in den Sozialeinrichtungen postiert.“
„Mehr als nur ein paar. So haben wir viele unserer Mitglieder gefunden.“
Seit ich die Anführerin des Lichts war, hatte ich gelernt, dass Kinder mit besonderen Fähigkeiten öfter weggegeben wurden als andere. Vielleicht war ein Elternteil – ein Nephilim, der sich unter die Menschen gemischt hatte – plötzlich tot, und der verbleibende Elternteil war dann mit dem merkwürdigen Kind völlig überfordert. Oder vielleicht waren auch beide Eltern plötzlich tot, und die Onkel und Tanten und Großeltern kamen nicht mit dem Kind zurecht. Oder es wurden, wie im Fall von Luther, beide Eltern ohne nachvollziehbaren Grund von Nephilim getötet, und das Kind wurde im System versteckt , bis es von der Föderation gefunden und aufgenommen wurde.
„Du bist so oft zurückgegeben worden“, fuhr Sawyer fort, „dass jemand argwöhnisch wurde und deine Akte an Ruthie weitergab. Schon nach dem ersten Blick sorgte sie dafür, dass du direkt zu ihr gebracht wurdest.“
„Ich dachte, in meiner Akte hätte nichts über meine Fähigkeiten gestanden.“
„Das stimmt auch.“
„Was war dann so verdammt Besonderes an mir?“
„Zum Beispiel dein Name.“
Ich hatte immer gedacht, irgendein Sozialarbeiter hätte vielleicht einen Kreativitätsschub gehabt, oder ich wäre in Phoenix gefunden worden. Aber jetzt glaubte ich natürlich nicht mehr an so was.
„Du wurdest auf einer Türschwelle in Cairo ausgesetzt, mit der Notiz, dass du Elizabeth Phoenix heißt.“
„Interessant.“
„Sehr. Vor allem, da es keine Familie Phoenix in dieser Gegend gab, und keine andere Familie mit diesem Namen erhob einen Anspruch auf dich.“
„Also kam ich ins Fürsorgesystem.“
Sawyer hob die Hände. „In deiner Akte war ein Foto. Ruthie warf einen Blick darauf und schickte nach mir. In Gestalt eines Wolfs kam ich nach Milwaukee.“
„Es muss dich ziemlich aus der Fassung gebracht haben, als du mich zum ersten Mal gesehen hast.“
„Kann
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