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Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Titel: Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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gefährlich.“
    „Und das ist er nicht?“
    Sawyer verzog den Mund zu einem Lächeln. Offenbar mochte er es, wenn ihn jemand gefährlich nannte. Manchmal glaubte ich, er schürte die Angst der Leute sogar absichtlich und goss noch Öl ins Feuer der Legenden, indem er gerade genug unheimliches Zeug anstellte, um sie im Umlauf zu halten. Ich hatte den Eindruck, dass es Sawyer schon mehr als einmal das Leben gerettet hatte, dass die Menschen Angst vor ihm hatten.
    „Ich kann nicht so einfach mit Whitelaw reden“, sagte Sawyer. „Ich muss ihn erst herbeirufen.“
    „Woher?“
    „Aus den Gefilden, in denen er verkehrt.“
    „Du sprichst davon, die Toten aufzuerwecken. Das klingt nach keiner besonders guten Idee.“ Ich sah Ruthie/Luther an. „Oder?“
    „Er wird ihn nicht richtig zum Leben erwecken“, sagte Ruthie, „nur seinen Geist heraufbeschwören.“
    „Und das ist in Ordnung?“
    „Was sollen wir sonst tun?“, fragte Ruthie. „Wir brauchen doch den Schlüssel, das Buch, irgendwas.“
    „Alles klar“, sagte ich mit einem Blick auf Sawyer. „Was musst du dafür tun?“
    Seine Lippen zuckten, und plötzlich fiel mir wieder ein, was mir Xander Whitelaw über die Fellläufer der Navajo erzählt hatte.
    Sie haben Sex mit Toten.
    Ich zog eine Grimasse. „Igitt!“
    „Ich habe nichts gesagt“, betonte Sawyer.
    „Ich kenne noch gar nicht alle Fähigkeiten von Fellläufern.“
    „Und das wirst du auch nie“, gab er zurück.
    Ich kniff die Augen zusammen. Ich wünschte, ich könnte ihn dazu bringen, sie mir zu verraten, aber Sawyers Fähigkeiten waren den meinen überlegen. Und da er unbedingt wollte, dass das so blieb, weihte er mich auch nicht in alle seine Geheimnisse ein. Wie mir das auf die Nerven ging!
    „Whitelaw hatte eine Reihe von Theorien“, begann ich.
    Sawyers Lächeln erstarb. „Ja, die hatte er.“
    „Wie viele davon trafen zu?“
    „Schwer zu sagen.“
    Ich begann aufzuzählen, was ich wusste. „Gestaltwandlung, abgehakt. Zauberkraft, Treffer. Kannibalismus?“
    Sawyer antwortete nicht.
    „Töten aus der Entfernung mithilfe von Ritualen?“
    Das Lächeln kehrte zurück, doch er sagte nichts.
    „Auf dem Sturm reiten?“
    Diese Legende war vermutlich entstanden, weil Fellläufer schneller als der Wind laufen konnten. Praktisch traf es also zu.
    „Macht über Blitze?“
    Ich hatte seine Mutter Blitze werfen sehen – wie Zeus. Sawyer hatte ich zwar nie dabei beobachtet, aber dass er es nicht tat, bedeutete noch nicht, dass er es nicht doch konnte.
    „Kontakt mit dem Tod und den Toten.“
    Offenbar, schließlich hatte er vor, Xanders Geist zu beschwören und ihm einige Fragen zu stellen.
    „Inzest.“
    Sawyers Gesicht wurde so ausdruckslos wie der dunkle Berg hinter ihm.
    Vielleicht sollte ich den letzten Punkt nicht als Fähigkeit, sondern eher als seinen einzigen Schwachpunkt bezeichnen. Noch ein Fluch. Der erste, aber nicht der letzte, den Sawyer seiner Mutter zu verdanken hatte.
    „Entschuldige“, murmelte ich.
    Es konnte nichts dafür, was diese psychotische, bösartige Schlampe ihm angetan hatte, und ich hätte ihn nicht daran erinnern sollen, weder jetzt noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.
    Sawyer gab immer noch den Fels-Imitator. Ich sah zu Ruthie/Luther hinüber und hob die Hände. Sollte heißen: Tu doch irgendwas!
    Sie seufzte. „Sawyer.“
    Ihre Stimme war freundlich, der gleiche Tonfall, in dem sie mich getröstet hatte, wenn ich krank war, mich aufgebaut hatte, wenn ich mich schwach fühlte, mir beigebracht hatte, was ich können musste, mir erklärt hatte, was ich zu wissen hatte. Abgesehen von dem, was sie für die Welt getan hatte, hatte sie nämlich auch eine ganze Menge für mich getan. Was auch immer ihre Motive gewesen sein mochten, sie hatte mich jedenfalls von der Straße geholt und vor mir selbst beschützt. Sie hatte viele Menschen gerettet. Ich sollte ihr gegenüber nachsichtig sein.
    Endlich.
    Sawyers finsterer Blick wanderte zu Luthers Gesicht und wurde allmählich weicher. Ich war nicht sicher, was es da zwischen Ruthie und Sawyer gab. Als ich fünfzehn Jahre alt gewesen war, hatte sie mich zu ihm geschickt, damit ich zu kontrollieren lernte, was in mir steckte. Es hatte aber nicht so richtig funktioniert. Ich musste vor Kurzem zurückkommen, um noch mehr zu lernen.
    Okay, es war mehr als merkwürdig, ein fünfzehnjähriges Mädchen in die mexikanische Wüste zu schicken, wo sie den Sommer allein mit einem erwachsenen Mann verbringen sollte.

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