Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
mitzubekommen.“ Ich runzelte die Stirn. Es sei denn … „Hat man ihr gesagt, ich sei tot?“
Das würde erklären, warum sie mich verlassen hatte.
„Nein“, sagte Sawyer kurz.
„Ich bin ein Phönix.“ Meine Mutter machte mit ihren Armen Flugbewegungen, genauso wie ein großer Vogel. „Nur wenn ich sterbe, wird ein neuer geboren.“
„Ich wurde geboren, als du gestorben bist?“
„Wie denn sonst?“
„Wie denn sonst?“, murrte ich. „Wie wäre es mit dem Wie ?“
Sie ließ die flatternden Hände sinken. „Ich war nicht dabei.“ Sie deutete auf Sawyer.
„Was weißt du denn schon davon?“, fragte ich. Dann, als mir ein furchtbarer, ekelerregender Gedanke kam, beugte ich mich vor, weil es mir schon wieder hochkam.
„Oh, reiß dich zusammen“, sagte der Phönix. „Er ist nicht dein Vater.“
Ich brauchte einige Minuten, um meinen Magen und meine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Dann hob ich den Kopf. „Bist du sicher?“
„Ich?“ Sie legte sich die Hand auf die Brust. Auf ihren Händen glänzte noch immer Sawyers Blut, aber ihr Kleid war ja zum Glück schon rot. „Nein. Aber er besteht darauf, dass das unmöglich ist.“
Ich sah in Sawyers unerbittlich wirkendes Gesicht. „Physikalisch unmöglich, oder unmöglich, weil du nur nicht willst, dass ich mir die Seele aus dem Leib kotze?“
In seinen zu hellen Augen flackerte etwas, das sie ganz plötzlich dunkel und wild erscheinen ließ. „Unmöglich, weil ich niemals …“
Die Wut überwältigte ihn. Er hielt Mamis Oberarm so fest, dass ich schon dachte, er würde ihn brechen. Anstatt sich zu winden, atmete sie verzückt ein und räkelte sich genüsslich, als würden ihr die Schmerzen höchste Lust bereiten.
Ich hustete. Der Würgereiz war wieder da.
„Ich hätte niemals …“, begann er erneut.
„… mit mir geschlafen?“, bot ich hilfsbereit an und erhielt als Antwort ein Knurren, das so tief aus seiner Kehle zu kommen schien, dass ich schon fast erwartete, im nächsten Moment einen Wolf herausspringen zu sehen.
„Das hier“, spie er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „Ich hätte das hier niemals getan.“
„Aber sonst hättest du alles getan – und mit jedem“, murmelte Jimmy.
Sawyer ignorierte ihn, doch ein Aufblitzen in seinen Augen sagte mir, dass es noch ein Nachspiel geben würde. Das gab es immer.
„Elizabeth“, fuhr Sawyer fort. „Gerade du solltest es besser wissen.“
Bisher hatte er mich immer Phoenix genannt. Ich fürchtete, von jetzt an würde das doppeldeutig klingen.
„Ich weiß überhaupt nichts mehr“, murmelte ich. Seine Hand umklammerte immer noch den Arm meiner Mutter, die unter diesen exquisiten Schmerzen fast einen Orgasmus zu bekommen schien.
Abartige, durchgeknallte Schlampe.
Offenbar hatten Sawyer und ich eines gemeinsam: Unsere Mütter hatten den üblichen Rahmen des Wahnsinns weit hinter sich gelassen.
„Hat es einen Namen?“, fragte ich. Mit dem es hatte sie schließlich angefangen, und ich wollte von ihr tatsächlich nicht als von einem richtigen Menschen denken.
Sie zog die Brauen zusammen. „Ich bin der Phönix.“
Ich sah Sawyer an. „Sag mir bitte, dass du sie nicht Phoenix genannt hast.“
Sein Gesicht war ebenso angespannt wie meines. Er wusste, worauf meine Frage abzielte. Hatte er uns beide so genannt? Hatte er sich vorgestellt, ich wäre sie?
„Nein“, sagte er. „Damals trug sie den Namen Maria.“
„Maria“, wiederholte ich. „Ausgerechnet.“
„Das war ihr Name.“
Das gefiel mir ganz und gar nicht. Maria war die Mutter Christi. Maria war auch meine Mutter, und wenn sie so weitermachte, würde sie auch noch das Vehikel für den Antichrist sein.
Namen waren wichtig. Das zumindest hatte ich gelernt.
Maria Phoenix, von unserer Unterhaltung offenbar gelangweilt, klopfte Sawyer auf die Finger: wie eine Nonne mit einem Lineal. Und er ließ sie los. Dann sah sie mich aus ihren dunklen, wahnsinnigen Augen direkt an. „Morgen wirst du genug Zeit haben, deine Loyalität unter Beweis zu stellen.“
Unter Beweis stellen? Der Klang dieser Worte gefiel mir nicht besser als das Testen aus dem Mund des Nerds von vorhin. Aber wann hatte mir eigentlich zum letzten Mal der Klang von irgendwas gefallen?
Ich sah Jimmy an. Er schien von dieser Unterhaltung ebenso angetan wie ich.
„Ich bin deine Tochter“, sagte ich. „Ich habe mein ganzes Leben lang nach dir gesucht.“
Das war zwar Quatsch, aber ziemlich überzeugend. Suchten nicht alle
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