Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
Hände waren mit den goldenen Ketten an den Bettpfosten gebunden, doch die Wiedergänger hatten immerhin meine Beine frei gelassen. Dafür war ich dankbar. Mit festgebundenen Beinen hätte ich nämlich kein Auge schließen können, wenn ich hätte schlafen wollen – was ich allerdings nicht wollte.
Ich richtete mein Kinn zur Decke und verrenkte den Hals, damit ich die Wand hinter dem Bett sehen konnte. Dann war ich doppelt dankbar für die nicht angebundenen Füße. Unter Aufbietung all meiner turnerischen Fähigkeiten schwang ich die Füße über den Kopf und griff gleichzeitig nach den Bettpfosten, um besseren Halt zu haben. Dabei spannte ich die Bauchmuskeln an, um der Bewegung mehr Wumms zu verleihen.
Meine Turnschuhe durchbrachen den Putz auf meiner Seite der Wand, kleine Stücke regneten auf mein Gesicht, meine Haare und das Kopfkissen herab. Es hatte zwar wehgetan, aber der Schmerz hielt nicht lange an. Ich riss die Füße wieder aus der Wand, dann nahm ich alle Kraft zusammen und versuchte es noch einmal. Dieses Mal kamen meine Zehen auf der anderen Seite der Wand wieder heraus.
„Lizzy!“ Jimmy nieste, spuckte und hustete. Leise prasselte weiterer Putz zu Boden. „Was tust du da?“
Seine Stimme klang jetzt klar und deutlich. Ich konnte ihn hören, als wäre er direkt neben mir. Was er praktisch auch war, bis auf die Wand.
Unten löste niemand Alarm aus. Sie rechneten wahrscheinlich damit, dass einer von uns, vorzugsweise ich, einen ordentlichen hysterischen Anfall hinlegte. Solange im Wohnzimmer nicht der Putz von der Decke bröckelte oder das Haus in sich zusammenfiel, würden sie uns wohl in Ruhe lassen, nahm ich an.
„Bin ich schon drin, oder was?“, fragte ich und ahmte dabei den Tonfall dieses Tennisspielers aus der Werbung nach.
Jimmy lachte kurz und scharf auf. „Ja. Hast du einen Plan?“
„Wofür?“
„Keine Ahnung. Wir können noch nicht von hier verschwinden oder sie töten. Obwohl ich das zu gerne täte – in umgekehrter Reihenfolge allerdings.“
„Pssst“, zischte ich.
Wir sprachen zwar ziemlich leise, aber trotzdem … Um uns herum hatten alle unnatürlich gute Ohren.
„Wir sind allein“, sagte er. „Spürst du es nicht?“
Ich schloss die Augen und lauschte . In unseren Ohren klang die Anwesenheit von übernatürlichen Wesen wie das Summen von Bienen. Je dämonischer der Dämon war, umso heftiger war die vibrierende Empfindung auf der Haut. Ich hatte es im Hintergrund gespürt, seit wir in Cairo angekommen waren, deshalb war ich auch so überrascht, dass ich sein Verschwinden nicht bemerkt hatte.
Das hieß natürlich noch lange nicht, dass Sawyer und die Königin der Verdammten oder einer ihrer jüngst erweckten Sklaven nicht jeden Moment zurückkehren konnten.
Dann hörten wir aus dem zweiten Stock, aber weit entfernt, vermutlich aus dem hinteren Teil des Hauses, einen Schrei: „Nein! Wir werden jetzt spielen!“
Eine tiefe, ruhige, vertraute Stimme antwortete etwas darauf. Aber ich konnte die Worte nicht verstehen.
Was dann folgte, ließ meine Haut erzittern. Der Phönix kreischte – ob vor Wut oder Lust, wusste ich nicht. Womöglich beides. Der Schrei dauerte so lange, dass er irgendwann auf meiner Haut schmerzte. Dann ließ er an Höhe und Lautstärke immer mehr nach, bis er zu einem Stöhnen wurde, das definitiv sexueller Natur war. Offenbar brauchten wir uns keine Sorgen darum zu machen, ob die beiden in der Eingangshalle lauerten und unsere Gespräche belauschten.
„Er tut es doch mit jedem, Lizzy. Es ist nichts Persönliches.“
„Ich weiß“, sagte ich, allerdings zu schnell. Es war nie persönlich gewesen, sondern immer nur Sex.
„Ich habe mich oft gefragt, warum Sawyer überhaupt da war“, überlegte Jimmy. „Warum er uns immer gerade so viel geholfen hat, dass wir ihn für einen Sympathisanten halten konnten, aber nie genug, um wirklich zu uns zu gehören – und nie umsonst.“
„Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“
„Er blieb in unserer Nähe, damit er wusste, wann es Zeit war, den Phönix zu erwecken und die Weltherrschaft zu übernehmen.“
„Hätte er das nicht auch so gewusst? Schließlich ist er Sawyer, schon vergessen?“
„Ruthie war die Anführerin des Lichts. Bis sie starb, sind wir quasi nur auf der Stelle getreten.“
„Glaubst du wirklich, Sawyer hat den Phönix erweckt?“, fragte ich.
„Er hat Xander zurückgeholt.“
„Er sagte, er könne nur Geister heraufbeschwören, nicht Menschen zum Leben
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