Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
froh, wenn sie sich an ihren eigenen Namen erinnerte.
»Hast du noch mehr Nephilim erwischt, die sich hier herumgetrieben haben?«, fragte ich.
Quinn hob den Kopf. »Ein halbes Dutzend, seit du das letzte Mal hier warst, Her… Liz.« Er straffte die Schultern. »Alle sind Asche.«
Je mehr Nephilim Quinn zu Asche zerfallen ließ, desto menschlicher wurde er. In seinem jetzigen Zustand musste er eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Tag als Panther verbringen – sei es als Statue oder in Fleisch und Blut. Aber diese Stunden wurden jedes Mal weniger, wenn er einen Unschuldigen beschützte. Schon bald würde er ganz und gar zum Menschen werden. Sagte er jedenfalls.
»Du kannst das Kind bei Megan lassen. Solange ich hier bin, wird ihm nichts geschehen.«
»Da bin ich mir sicher. Und du würdest die doppelte Punktzahl bekommen, stimmts?«
»Ich verstehe nicht … «
»Ein Baby zu beschützen, also das Unschuldigste, was man sich überhaupt vorstellen kann, bringt dir doch bestimmt ein paar Lose mehr in der großen Schnell-Mensch-werden-Lotterie ein.«
Quinn versteifte sich. »Ich würde es nicht zu meinem eigenen Vorteil beschützen.«
»Nein?«
»Nein.« Jetzt wirkte er tatsächlich verletzt. »Es ist doch noch ein Kind. Was wäre ich denn für ein Mann, wenn ich eine Gegenleistung dafür erwartete, dass ich ihm helfe?«
»Du bist ja noch kein Mann.«
»Und wenn ich ein solcher Mann wäre, würde ich es nicht verdienen, einer zu sein.«
Dieser Quinn wurde mir allmählich mit jedem Treffen sympathischer.
»Danke für das Angebot«, sagte ich, »aber ich kann sie nicht hier zurücklassen.«
Ich ratterte dieselben Gründe herunter, die ich Megan bereits genannt hatte, und Quinn nickte. »Die Mutter des Kindes könnte so ziemlich jeder sein. Sogar Sawyers eigene.«
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber hätte Sawyer nicht … Was? Faith in einem Leinensack ertränkt? Wohl kaum.
Trotzdem war seine Mutter das Böseste vom Bösen gewesen, das Abscheulichste vom Abscheulichen. Wenn es danach ging, konnte sie durchaus das Kind ihres eigenen Sohnes zur Welt gebracht haben.
Sawyer hätte es mir zumindest gesagt. Es sei denn, sein Verstand hätte sich dieser Vorstellung ebenso rigoros verweigert, wie meiner es tat. Und jetzt mal im Ernst, was sprach eigentlich dagegen?
»Er wollte, dass sie beschützt wird«, murmelte ich. Ich glaubte nicht, dass er sich darum Gedanken gemacht hätte, wenn das Kind die Tochter der Psychoschlampe aus der Hölle gewesen wäre.
Aber vielleicht irrte ich mich da auch.
6
E y, Kumpel. Wer bist du?«
Luther stand oben auf dem Treppenabsatz. Seine Augen leuchteten bernsteinfarben. Sein Haar bauschte sich in einem nicht vorhandenen Wind.
»Wer bist du ?«, gab Quinn zurück, in seinem Blick flackerte mehr Gelb als Grün. »Kumpel?«
»Ganz ruhig, Jungs«, befahl ich. »Wir sind hier alle Freunde.«
Luther legte den Kopf schief und horchte auf eine Stimme, die nur er hören konnte. Erkenntnis hellte sein Gesicht auf. »Gargoyle«, sagte er.
»Psst«, zischten Quinn und ich gleichzeitig.
»Warum?«
»Megan weiß nichts davon«, flüsterte ich. »Sie wird mir in den Arsch treten, wenn sie herausfindet, dass ich in ihrer Kneipe einen Aufpasser platziert habe.«
Die Augen des Jungen hörten auf zu leuchten und wurden wieder haselnussbraun. »Okay.«
»Ein neuer Assistent?«, fragte Quinn.
»Nein«, antwortete Luther.
»Ja«, sagte ich im selben Moment.
Dann sahen wir uns böse an.
»Ich bin dein Seher«, beharrte Luther, »du bist mein Assistent.«
»Ich bin die Anführerin der ganzen Föderation, ich bin niemandes Assistent.«
»Das glaubst du auch immer noch«, murmelte Luther.
Quinn lachte, ich kochte. Ich führte nicht gern Befehle aus, aber in letzter Zeit blieb mir oft keine andere Wahl. Wenn Luther sagte Komm , dann kam ich. Wenn Luther sagte Töte , dann tötete ich. Wenn Luther sagte Spring von einer Klipp e, dann übte ich den freien Fall.
»Was ist hier los?« Megan kam die Treppe herauf, wobei der Teppich das Klatschen ihrer Flip-Flops dämpfte. Als sie den Absatz erreichte, sah sie uns drei stirnrunzelnd an. »Gibt es ein Problem?«
»Wir stellen uns nur vor. Quinn und Luther kannten sich noch nicht.«
Megan hatte in ihrem Leben genug Lügen gehört – sie hatte Kinder und leitete eine Kneipe –, genug, um eine aus einem fliegenden Spaceshuttle heraus zu erkennen. Obwohl ich als Anführerin des Lichts schon viel geschickter darin geworden
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