Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
des Bösen. Und ich kannte die Antwort.
„Es ist mir gleichgültig, was mit mir passiert.“ Ich sah Saywer fest in die Augen, und er nickte. Wenn alles vorbei war, würde er tun, was getan werden musste.
„Irgendwelche Vorschläge?“ Mit dem Finger tippte ich an die goldene Gefängnistür.
Summer preschte vor. Saywer hob die Hand, und sie prallte zurück. Unheimlich wie helles, silbernes Mondlicht strahlten seine grauen Augen sie an. „Wenn du so weitermachst“, murmelte er, „fessle ich dich mit Eberesche.“
„Eberesche ist für Feen tödlich“, sagte ich.
„Irgendwann einmal.“ Sonderlich besorgt klang er allerdings nicht.
„Das wird gar nicht nötig sein.“ Auch wenn ich mir in der Vergangenheit schon so manches Mal Summers Ableben herbeigewünscht hatte, jetzt gerade war das nicht so sehr der Fall.
„Du brauchst dich nicht für mich einzusetzen“, sagte Summer. „Ich habe meine Seele verkauft, um ihn zu schützen …“
„Du hast was?“, fragte ich sanft.
„Nur so eine Redensart“, murmelte sie. „Wenn ich zur dunklen Seite übergelaufen wäre, meinst du nicht, du hättest es schon längst erfahren?“
Schwer zu sagen. Ruthie war verdächtig still in letzter Zeit. Ob ich ihre Stimme unbewusst abblockte, nun, da ich um ihren Verrat wusste? Eher nicht. Ich wusste nicht einmal, ob ich dazu überhaupt imstande war.
„Du wirst sie schön am Leben lassen“, befahl ich Saywer.
„Wenn du das durchziehst“, murmelte Summer, „wird er am Boden zerstört sein. Meinst du, danach interessiert mich mein Leben noch?“
In mir regten sich Schuldgefühle, doch ich wischte sie beiseite. Ich konnte mir keine Schwäche leisten.
„Wie komm ich rein?“
Immer noch hatte Saywer einen Arm erhoben, um Summer zurückzuhalten, den anderen streckte er mir nun entgegen und deutete mit dem Zeigefinger auf einen Ritz zwischen Boden und Tür.
Zunächst begriff ich nicht ganz, was er mir damit bedeuten wollte, bis mein Blick an der Tarantel auf seinem Unterarm hängen blieb.
„Sei vorsichtig“, murmelte er.
Summer versuchte kreischend aufzustehen. Mit einer winzigen Bewegung seines Daumens ließ er sie wieder zurückknallen.
„Egal, was du hören magst oder was ich sagen werde, öffne bloß nicht die Tür.“
„Phoenix“, sagte Saywer völlig entnervt, „wenn ich diese Tür öffnen könnte, gäbe es hierfür keinen Grund.“ Ermutigend hielt er mir seinen Arm hin. „Und wir wissen beide, dass du dir lieber die Zunge abbeißen würdest, als zuzugeben, dass du da lieber nicht hineingegangen wärst.“
„Komm mir nicht hinterher“, sagte ich.
„Würde mir nicht im Traum einfallen.“
„Ich mein es ernst.“
„Ich auch.“
Ich beugte mich vor und drückte ihm einen so schnellen wie harten Kuss auf den Mund. Vielleicht würde ich ja niemals wieder die Lizzy sein, die ich jetzt war. Darum musste ich noch unbedingt etwas loswerden.
„Danke“, sagte ich.
Ich zog mir die Klamotten aus. Nachdem ich den Türkis vom Hals genommen hatte, schob ich ihn unter der Tür hindurch, legte die Hand über die Spinne und griff im Geist nach der Essenz dieser schwarzen achtbeinigen Kreatur.
Helles, kaltes Licht verzehrte mich, gefolgt von einer jähen Hitze. Ich fiel so schnell, dass sich in meinem Kopf alles drehte; der dünne Lichtstrahl von der anderen Seite der Tür lockte mich, und ich huschte dem Licht entgegen.
Hinter mir ertönte erneut ein Schrei, dann wurde ich von einem Wirbelwind vorangetrieben, gerade noch in dem Augenblick, bevor der Boden von einem dumpfen Aufprall erzitterte.
Gefahr war im Anmarsch. Ein Schatten in Gestalt eines Schuhs kam direkt auf mich zu.
Wieder ein Aufprall, diesmal klang es, als sei ein Körper gegen eine Wand geknallt, dann wurde alles still, der Wirbelwind erstarb, und ich krabbelte sicher unter der Gefängnistür hindurch.
31
S obald ich mich auf der anderen Seite befand, visualisierte ich mich wieder als mich selbst, und die Hitze wich einem plötzlichen Kältegefühl. Mit acht Augen hatte ich eine geradezu monumentale Sicht der Welt, doch der Blick verengte sich unter der Verwandlung wieder. Meine Giftzähne wurden eingezogen, Arme und Beine verkürzten sich auf die Hälfte.
Erst war ich sieben Zentimeter groß, dann einen Meter und schließlich eins siebzig. Ich sah mich gar nicht erst groß um. Schließlich war ich ja schon einmal hier gewesen. Jetzt begriff ich auch, warum der Raum so kahl und leer war. Das hatten Gefängnisse eben so an
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