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Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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kleinerer Teil sein Auskommen in Familienbetrieben fand, die sich in den winzigen Gässchen aneinanderreihten, um die Bedürfnisse von Kind und Kegel zu befriedigen. Wir kamen an einem Lebensmittelgeschäft, einem Arzt, einer Apotheke und – hipp, hipp, hurra! – auch an einem Café vorbei.
    „Kaffee“, krächzte ich und deutete mit dem Finger darauf.
    Mein Gekrächze muss Summer die Dringlichkeit von besagtem Heißgetränk deutlich gemacht haben, denn sie brachte den Impala am Bordstein zum Stehen und folgte mir widerspruchslos in den Laden.
    Zu dieser späten Stunde war das Café beinahe leer. Wir mussten uns nicht mit Touristen herumschlagen, die ein Vier-Dollar-Gebräu schlürften und dabei den neuesten New-York-Times-Bestseller lasen oder etwa einen Liebesroman, den sie zu Hause ums Verrecken nicht aufschlagen würden.
    Ich orderte einen Mountain Roast bei einer übermäßig bleichen jungen Frau, die sehr nervös wirkte. Als ich ihn bestellte, fuhr sie erschreckt zusammen, so als hätte ich viel zu laut gesprochen, und dann ließ sie auch noch das Wechselgeld fallen und zuckte zusammen, als es klingelnd auf die Ladentheke purzelte. Hatte wohl viel zu viel Breakfast Blend intus.
    Rasch trank ich ein paar Schlucke, bevor ich mich umwandte.
    Summer beäugte mich interessiert. „Ist dein Mund aus Asbest?“
    „Bitte?“
    „Die meisten Menschen würden sich den Mund verbrennen.“
    Ich war aber nicht wie die meisten Menschen, war mir nicht einmal sicher, wie menschlich ich eigentlich sein mochte. Aber kochend heißen Kaffee trinken, ohne mich zu verbrennen, das konnte ich auch schon, bevor ich zur parapsychologischen Superheldin wurde.
    Ich zuckte die Achseln. „Ich bin daran gewöhnt.“
    Summer schlenderte auf einen freien Tisch zu. Hier fiel ihr Outfit nicht so auf, oder vielleicht hatte ich mich auch bereits daran gewöhnt.
    „Und jetzt?“, fragte ich. „Warten wir, bis Jimmy zur Parade erscheint?“
    „Das glaube ich nicht.“ Ihr Blick war auf die breite Glasfront gerichtet, die Aussicht auf die Hauptstraße von Barnaby’s Gap gewährte.
    Wie ausgestorben lag sie da. Langsam wurde ich unruhig. Klar, dieser Ort war nicht gerade ein Touristenmagnet, aber irgendjemand sollte doch draußen rumlaufen.
    „Komm“, sagte sie.
    Wir gingen auf dem Bürgersteig und spähten in jedes Schaufenster. Alle Läden waren geöffnet, die Angestellten verrichteten zwar ihre Arbeit, machten aber einen ruhelosen Eindruck. Als wir vor den Fenstern auftauchten, schraken sie zusammen, starrten uns mit großen Augen an, um dann schnell wieder den Blick abzuwenden. Mir gefiel das ganz und gar nicht. Ein älterer Mann kam auf uns zugeschlurft, groß und schlank, mit schneeweißem Haar. Für einen Obdachlosen war er zu gut gekleidet, aber die Art, wie er die Schulter hochzog und vor sich hin murmelte, erinnerte mich an die vielen, die ich in meinem Leben schon gesehen hatte. Während er näher kam, trug die schwüle Nachmittagsbrise seine Worte zu uns.
    „Rote Augen“, psalmodierte er. „Zähne und Blut. Dämon in den Bergen. Dämon in der Höhle.“
    Ich glaube, das war Erklärung genug für das Verhalten der augenscheinlich mit Kaffee überdosierten Bevölkerung.
    Sofort stellte ich mich in den Weg und legte dem Mann eine Hand auf die Schulter.
    Meistens übertrugen sich starke Emotionen – Angst, Liebe, Hass –, und ich bekam einen Eindruck von den Umständen. Da dieser Mann verrückt vor Angst war, prasselten so viele Bilder auf mich ein, dass ich ins Wanken geriet.
    Nacht. Dunkelheit. Bäume. Wasser. Der beißende Geruch von Angst, die Hitze der Gefahr. Weglaufen. Stolpern. Schmerz. Blut. Dann die Gnade des glückseligen Vergessens.
    Verdammt. Hier war wirklich etwas im Busch.
    Der arme Kerl starrte mich an, als erwarte er, dass ich mich jeden Augenblick in ein Monster verwandelte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Normale Menschen sind nicht darauf geeicht, sich mit einem Horrorfilm in ihrer Heimatstadt abzufinden. Normalerweise ließen die Nephilim niemanden lebend zurück, also mussten wir uns um das zombiehafte Verhalten Überlebender gar nicht erst kümmern. Was mich einmal mehr fragen ließ, mit welcher Art von Bestie wir es hier wohl zu tun bekämen.
    Der alte Mann war gar nicht so alt, wie es auf den ersten Blick schien. Sein Gang, sein Gebrabbel und das weiße Haar deuteten auf einen Siebzig- oder Achtzigjährigen hin. Aber sein Gesicht war eher das eines Fünfundvierzigjährigen, und mit einem Schlag

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