Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
war so erleuchtet wie ein Christbaum, und überall schwirrten Bullen herum.
Gerne hätte ich Saywer gefragt, was denn geschehen war, ich meine außer dem Offensichtlichen – Tod, Tod und noch mehr Tod. Allerdings hatte ich keine Zeit, mich zu verwandeln und wieder Frage-und-Antwort zu spielen. Wir mussten schleunigst hier verschwinden, und mit Pfoten könnte ich kein Auto fahren.
„Komm“, flüsterte ich, bewegte mich langsam rückwärts, dorthin, wo der Impala im Schutz der Bäume stand.
Bald schon würde die Polizei ihre Suche ausdehnen. Wenn die eine Frau und einen Wolf in der Nähe des Gemetzels fände … Hmm, das würde ihnen bestimmt Arbeit abnehmen. Sie würden uns die Schuld dafür in die Schuhe schieben, und damit wäre der Fall abgeschlossen.
Selbst wenn es uns gelänge, mit Hilfe von Gestaltwandelei und Magie aus dem Gefängnis auszubrechen, wären wir doch für immer gezeichnet. Ich könnte mich nicht mehr frei bewegen. Und es würde weitere Menschen das Leben kosten. Dabei hatte ich jetzt schon genug auf dem Gewissen.
Beim Gedanken an die Kinder, wie sie eines nach dem anderen in Ruthies Garten aufgetaucht waren, hätte ich am liebsten auf etwas eingeschlagen. Ich überlegte schon, dem Impala eine Delle zu versetzen, besann mich dann aber eines Besseren. Denn aus Erfahrung wusste ich, dass ich mir nur wehtun, mir vielleicht sogar die Hand brechen würde. Gewiss, meine Knochen würden wieder heilen, aber die Kinder wären immer noch tot. Nichts würde diese Kinder wieder zum Leben erwecken.
Mit der Hand wischte ich mir die Regentropfen vom Gesicht.
Wir erreichten den Wagen, und so leise wie möglich öffnete ich die Fahrertür. Saywer sprang hinein. Ich legte den Leerlauf ein und schob das Auto einen rutschigen Waldpfad entlang, bis wir, wie ich vermutet hatte, eine andere Siedlung erreichten. Überragende Stärke konnte verdammt nützlich sein.
Erst als wir weit genug entfernt waren und niemand das Motordröhnen mehr hören konnte, drehte ich den Schlüssel in der Zündung und ließ Lake Vista hinter mir.
Saywer saß auf dem Beifahrersitz und streckte wie ein Hund den Kopf aus dem Fenster, mit offenem Maul und heraushängender Zunge. Wenn man seine langen spindeldürren Beine und die riesigen Pfoten nicht sah und ihm nicht zu tief in seine klugen und beinahe bestialischen Augen blickte, konnte man ihn für einen ganz normalen Hund halten.
Beide brauchten wir dringend eine Dusche. Wenn irgendjemand auch nur einen Blick auf meine nassen blutbesudelten Klamotten und mein blutiges … ich sah zu Saywer hinüber – fast hätte ich Haustier gesagt.
„Begleiter“, murmelte ich, und er schnaubte verärgert. Manchmal könnte ich wetten, dass er meine Gedanken las. Zumindest verstand er mich, auch wenn er selbst nicht sprechen konnte.
„Wir halten an einem Hotel an und bringen uns erst mal in Ordnung.“ Währenddessen konnte ich mich dann verwandeln und herausfinden, was zum Teufel in Lake Vista eigentlich vor sich gegangen war. Dann würden wir, je nachdem, was dabei herauskam, entweder die Lukaner jagen oder uns auf den Weg nach Detroit machen.
Ich fuhr eine Stunde in Richtung Südosten. Erst einmal mussten wir genügend Abstand zwischen uns und das Massaker bringen, damit wir nicht unmittelbar Verdacht auf uns zogen.
Auf der Interstate 94 fand ich ein nichtssagendes Motel, das von LKW-Fahrern frequentiert wurde. Dort konnte ich mich, nachdem ich mein blutiges Trägerhemd trotz der Hitze unter einer Jacke verborgen hatte, anmelden, dann zum Hintereingang fahren, direkt vor meinem Zimmer parken und den Wolf hineinschmuggeln.
Sobald er drinnen war, marschierte Saywer schnurstracks auf das Bett zu.
„Erst unter die Dusche“, befahl ich. „Blutflecke auf den Laken können wir nicht gebrauchen. Die haben mein Nummernschild.“
Saywer bleckte die Zähne, trottete aber artig ins Badezimmer, wo er auf den Fliesen sitzen blieb und so lange in die Wanne starrte, bis ich das Wasser anstellte.
An Schnauze und Pfoten war das Blut schon angetrocknet. Das heiße Wasser löste es zwar etwas, aber mit Seife wäre es schneller gegangen. Seufzend ließ ich mich auf die Knie fallen. Ich würde ihn wie einen Hund baden müssen und dann auch noch wie einen Hund trockenrubbeln. Wenn man dem Ausdruck seiner Augen glauben wollte, fand Saywer das irrsinnig komisch.
„Gewöhn dich bloß nicht dran“, murmelte ich, während ich die Verpackung von dem winzigen Seifenstück riss.
Vielleicht gewöhnte er sich
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