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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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jedes Forschers, der auf Neuland vorstößt.
    Hatte Butenant eine Ahnung, als er die biochemische Natur der Östrogene entdeckte, welch enorme Rolle diese Steroide einmal als »Pille« für die Rege-lung der Bevölkerungsexplosion erhalten sollten?
    Von den Pillen-Kriegen, mit denen die Völker der dritten und vierten Welt gezwungen worden waren, die Östrogene zu schlucken? Hatte Onsager geahnt, daß er mit seiner thermischen Diffusionsmethode zur Trennung von Uran 235 und Uran 238 die Grundlage für eine Waffe lieferte, daß die Onsager-Gleichungen für die Thermodynamik irreversibler Prozesse ein Beitrag zur Herstellung der Atombomben waren?
    Mußte er sich vorwerfen, daß die Mulligan-
    Gleichungen am Ende zu einer nicht weniger scheuß-
    lichen Waffe führen würden?
    Wenn er sie nur schon vollendet hätte: Dann könn-te er sich endlich an die Dispersion der Quarks machen. Mulligan kicherte vergnügt. Und niemand wußte von dieser Idee. Doch zuerst mußte er die verdammte Ableitung der dritten Gleichung schaffen.
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    Oder eine neue, die vierte Gleichung? Er stürzte sich verbissen in die Arbeit.
    Den Alten sah Mulligan erst am übernächsten Tag wieder. Als er vom Strand kam, stand Bermuda-Joe mitten in der Halle und starrte auf die Leute, die durch die Drehtür kamen, zwischendurch blickte er immer wieder zu der Uhr über dem Empfang. Mulligan vergewisserte sich unwillkürlich, wie spät es war: kurz vor sechs. Als der Zeiger auf »voll«
    sprang, stürzte Bermuda-Joe auf eine Frau zu, die gerade hereinkam.
    Mulligan trat näher.
    »Haben Sie Nachricht von Wloblam?« fragte Joe die Frau.
    »Nein?« Er nickte traurig, dann drehte er sich um; fast wäre er mit Mulligan zusammengestoßen.
    »Wer ist Wloblam?« fragte Mulligan.
    »Wloblam? Wer soll das sein?« Joe sah ihn verwirrt an.
    »Das frage ich Sie, Joe!«
    »Nie von ihm gehört.« Der Alte schlich mit gei-stesabwesendem Blick davon.
    Am Abend vor seiner Abreise ging Mulligan noch einmal in die Bar. Seine Kehle war völlig ausgedörrt, obwohl er bereits am Strandkiosk ein paar Bier getrunken hatte. Mulligan hatte die letzten Tage am Strand gefaulenzt; die Sonne knallte, wie im Prospekt versprochen, und mit seiner Gleichung kam er 83
    ohnehin nicht voran. In der Ecke am Tresen saß Bermuda-Joe und kritzelte etwas auf eine Papierserviette.
    Mulligan setzte sich zu ihm. »Wie wäre es mit einem Drink?« fragte er.
    »Wenn Sie einen ausgeben, allemal«, sagte der Al-te. »Sind Sie schon lange hier?«
    »Was schreiben Sie da?« fragte Mulligan zurück.
    »Hat nichts zu bedeuten. Nur Gekritzel. Was mir gerade so in den Sinn kam, weiß auch nicht, wieso.«
    »Darf ich mal sehen?« Mulligan wartete nicht auf Zustimmung, er zog die Serviette zu sich herüber, starrte mit offenem Mund auf das Papier: lange Ko-lonnen von Ziffern und Zeichen, Formeln wofür?
    Und da stand die Formel für die Strontium-
    Molybdän-Fusion. Eine Formel der höchsten Ge-heimhaltungsstufe auf einer Papierserviette in einer Hotelbar! Von einem verrückten alten Mann hinge-kritzelt.
    Mulligan sah sich Zeile für Zeile genau an. Da waren ein paar Interlinear-Funktionen, die er noch nie gesehen hatte. Und darunter entdeckte er die dritte Mulligan-Gleichung, die er erst vor kurzem gefunden hatte und die außer ihm nur noch zwei Mitarbeiter seines Teams kannten. Und dann eine Quasi-Analog-Ableitung, die er noch nicht einmal bedacht hatte!
    Mulligan holte einen Stift heraus, nahm eine Serviette, schrieb, rechnete; es fehlte offensichtlich ein Al-84
    pha-Block, aber das konnte die Lösung sein er sah den Alten fassungslos an.
    »Woher haben Sie das, Joe?« stieß er hervor.
    »Ich weiß nicht.«
    »Denken Sie nach!« Mulligan beugte sich über den Tisch, packte den Alten am Arm und rüttelte ihn.
    »Denken Sie nach, Joe, bestimmt fällt Ihnen noch mehr ein.«
    »Nein«, erwiderte Joe, »ich habe alles vergessen.
    Glaubt mir doch, ich habe wirklich alles vergessen.
    Ich mache euch keinen Kummer mehr.« Er riß sich los, blickte Mulligan verständnislos an, stand auf.
    »Was wollen Sie von mir, Sir? Bitte, lassen Sie mich doch in Ruhe. Ich habe Ihnen ja nichts getan, nicht wahr?« Er lächelte verzweifelt. »Fragen Sie die anderen, Sir, die werden es Ihnen bestätigen: Ich rede manchmal vielleicht ein bißchen irre, aber ich bin nur ein harmloser alter Mann. Soll ich Ihnen ein Lied singen?«
    Er nahm Haltung an, legte die Hände an die Ho-senbeine, reckte das magere Kinn und begann mit leiser,

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