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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Forsy-
    thienstrauß aufgeblüht. Josefa lachte mir zu und schmiegte sich noch einmal an, so selbstverständlich, als wachten wir jeden Tag miteinander auf, so frag-los, wie sie mich angerufen hatte.
    Was nun? dachte ich erschrocken. Wir kannten uns doch kaum. Wieviel weiß man von einem Menschen, mit dem man nur einen Abend lang gesprochen hat? Mehr geschwiegen als gesprochen: Unser gemeinsames Schweigen und gemeinsames Lachen hatte uns miteinander verkuppelt. Für diese Nacht, die für sie sicher nur eine von vielen war. Wenn ich sage: eine von vielen Nächten, dann meine ich: eine von vielen Enttäuschungen auf der Suche nach einem lebendigen, offenen anderen.
    Ich bin sicher, Josefa hatte bei dem Treffen der Raumlotsen durch meine versteinerte Kruste hin-89
    durchgeschaut, und was sie erblickte, ließ Hoffnung wachsen; in dieser Nacht aber oder in der Minute des Morgens? verlor sie den Mut, mir zu helfen, die Jah-resringe meines Eispanzers abzusprengen.
    Wann sehen wir uns wieder? fragte ich zögernd.
    Josefa schüttelte den Kopf. Schneeflocken fallen nur einmal vom Himmel, sagte sie leise, und wenn man sie festhalten will, schmelzen sie.
    Wir haben uns nie wieder gesprochen. Einmal sah ich sie, als ich auf Xeros umstieg, im Warteraum.
    Josefa grüßte zurück, freundlich, wie einem entfern-ten Bekannten, dann unterhielt sie sich weiter mit dem Mann, der neben ihr saß. Es war schön und erregend, Josefa wiederzusehen, aber ich widerstand der Versuchung, an ihren Tisch zu treten, und ich unterdrückte auch mein Verlangen, die Computer nach ihr zu befragen.
    Ich hatte, wie es mein Beruf verlangt, schnell ein Bild bei der Hand, das alles erklärte und mit dem ich, wie ich dachte, so weiterleben könnte wie bisher: Wir sind aufeinander zugetrieben wie zwei Stämme im Strom, haben angelegt, sind zusammen durch die Strudel des Katarakts gewirbelt, um dann wieder au-seinanderzutreiben, jeder seinem Ufer zu.
    Mein Leben verläuft unverändert. Nur wenn die beiden Monde zugleich die nächtliche Ebene aus-leuchten, schlafe ich schlecht, und sobald es schneit, zieht es mich unwiderstehlich hinaus. Allein.
    90
    Als ich an jenem Morgen aus Josefas Quartier trat, war der Boden schwammig weich. Erste grüne und gelbe Tupfer zeigten sich in den Mulden des Graublau. In dieser Nacht war das Polarhoch über die Berge gezogen und hatte einem Äquatortief Platz gemacht. Es war der erste Tag einer Schönwetterpe-riode, die den Frühling auf Thekion einleitete.
    Alle außer mir schienen es zu wissen. Ich sah niemanden mehr im Skaphander, dafür Overalls und leichte Stiefel, und ich wurde verlegen unter den Blicken der anderen. Ich nahm den Helm ab und hoffte, daß sie nur annahmen, ich hätte den Wetter-bericht nicht gehört.

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    Im Alleingang

    1.

    War es schon soweit? Er wischte sich die Schweiß-
    tropfen von der Stirn, frottierte den Oberkörper, die Schenkel, zog die Füße aus den Pedalschlaufen; von einer Minute zur anderen fühlte er sich ausgepumpt, völlig erschöpft. Nilsson hatte ihm ja prophezeit, daß es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen konnte, wenn er das Optimum überschritt, und der Bordcomputer zeigte an, daß er wieder in einen Zwölferschlag verfallen war. Ob der Himmel heiter war? Das trübe Graublau vor dem Panoramafenster verriet nur, daß noch Tag sein müßte. Er fühlte sich zu schwach, das Pereskop auszufahren.
    Todmüde. Und noch über zweitausend Kilometer bis Hawaii.
    Er warf einen Blick über die Displays. Das Boot lag nach wie vor im Sog der starken Strömung; selbst wenn er jetzt starb, würde sie ihn wahrscheinlich nach Hawaii bringen, zumindest bis dicht vor die In-selkette aber er hatte Hawaii lebend erreichen wollen. Wenigstens einmal an dem berühmtesten Strand der Erde Spazierengehen, einmal Palmenwein trinken…
    Ist es nicht scheißegal, sagte er laut, wo dein letz-92
    tes Stündchen schlägt, Henrik Kristian Henderson?
    Nein. Hawaii sehen und sterben, dieser Gedanke hatte ihm wieder Auftrieb gegeben, ihn aus seiner Lethargie gerissen, die Depressionen hinweggespült, das verteufelte Selbstmitleid. Erst Hawaii sehen und dann sterben. Den Hang der Insel hinuntersinken, immer tiefer, bis er das Bewußtsein verlor und das Boot vom Wasserdruck zerquetscht wurde, lange bevor es den Grund erreichte; der Berg, dessen Spitze Hawaii hieß, wäre der höchste der Erde, weit höher als der Himalaja, wenn er nicht zur Hälfte im Wasser des Pazifik läge.
    Er legte sich in die Koje, drückte

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