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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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scheint, ich hätte so vieles gewußt, aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Was ist damals geschehen? Vielleicht habe ich tatsächlich nur durchgedreht? Wie aber bin ich an Land gekommen? Wo ist mein Boot geblieben? Wo war ich die ganze Zeit?
    Meine Familie hat eine Detektivagentur beauftragt sie haben keine Spur gefunden, weder von mir noch 78
    von meiner ›Mary‹.« Er trank den Rest Bier aus seinem Glas.
    Mulligan winkte dem Barkeeper, Nachschub zu
    bringen. »Sie haben erzählt, daß Sie auf einem anderen Stern gewesen sind, Joe.«
    »Ja, das sagt man.«
    »Haben Sie denn nichts aufgeschrieben?«
    »Doch, das habe ich wohl. Ich soll auch eine Unmenge Briefe an alle möglichen Leute geschrieben haben, aber man hat mir gesagt, das sei nur konfuses Zeug gewesen.«
    »Wo sind Ihre Aufzeichnungen?«
    »Wenn es sie je gegeben hat, dann sind sie vernichtet.«
    »Aber Ihre Träume, Joe! Erzählen Sie mir von Ihren Träumen.«
    »Verwirrende Bilder. Bruchstücke, Farben, wie ich sie sonst nie sehe, eine Art Orange und doch nicht Orange, ein dunkles Violett, fast schwarz, voller Schatten. Vier Monde zugleich.
    Eine Art Kraftwerk, so ein langes Schaltpult mit Tausenden von blinkenden Lichtern.« Der Alte versank ins Grübeln. Der Barkeeper reichte Mulligan die Gläser über den Tresen.
    »Eine U-Bahn«, murmelte der Alte, »ein endloser Tunnel, offene Wagen. Weiße Türme bis in die Wolken, ohne Fenster. Eine Uhr mit fünf Zeigern.«
    Mulligan schob ihm das frische Bier hin. Joe nahm 79
    das Glas, ohne aufzublicken, leerte es in einem Zug.
    »Und Gesichter«, sagte er nachdenklich. »Eigentümliche Gesichter. Oliv. Große, runde, schwarze Augen. Freundlich, sehr freundlich.«
    Er stand auf und ging wortlos davon, die Augen fast geschlossen, die Hände vor der Brust gefaltet, seine Lippen bewegten sich stumm. Mulligan sah ihm nach, bis er die Bar verlassen hatte, dann bestellte er einen dritten Scotch. Der Barkeeper lachte ihm zu. »Der Alte hat wahrscheinlich zu viele Science-Fiction-Filme gesehen«, sagte er.
    Mulligan nickte.
    In der Nacht träumte er von Fliegenden Untertassen, die ihn mit Infraschall-Kanonen jagten. Er wachte schweißgebadet auf, sein Mund war trocken.
    Er angelte sich eine Cola aus dem Kühlschrank neben seinem Bett und nahm einen langen Zug. Er sollte sich einen anderen Job suchen.
    Wie oft hatte er sich verflucht, weil er damals diesen Job angenommen hatte. Nichtsahnend! Anfangs hatte er nicht einmal gewußt, daß er für die Airforce arbeitete; das Institut, das ihm das verlockende Angebot gemacht hatte, aus seinem Hobby eine Lebens-aufgabe zu machen, eine hochbezahlte dazu, lief unter einem harmlosen Namen, und als er endlich da-hinterkam, daß seine Arbeit zu nichts anderem dienen sollte, als eine neue Waffe zu entwickeln, war es längst zu spät. Als Mulligan wütend zum Chef ging, 80
    lachte der nur. Ob er wirklich so naiv sei? Ob er in der Tat glaube, er könne einfach aussteigen? Kein Institut, keine Firma der Staaten würde ihn nehmen, dafür würden sie sorgen, mehr noch, er würde sofort als Sicherheitsrisiko unter Schutzhaft gestellt werden.
    Mulligan stand auf, zog die Vorhänge beiseite. Die Morgendämmerung hatte eingesetzt. Und es regnete noch immer.
    Er griff zu der Schachtel auf dem Schreibtisch, nahm zwei der rosa Pillen heraus, warf sie einzeln in die Luft und fing sie mit dem Mund auf. So einfach war es, Wut und Ärger, Frustration und Resignation abzuschalten: Pille schlukken, zwei Minuten warten klick. Er wußte, daß er längst abhängig von diesen verdammten Pillen war, die er nur vom Institutsarzt bekommen konnte, nirgends sonst. Auf dem an
    Suchtmitteln wahrlich nicht armen schwarzen Markt gab es sie für kein Geld.
    Er blickte auf den Sekundenzeiger. Die Wirkung setzte pünktlich ein. Ein Gefühl von Frieden zog durch sein Gehirn, Entspannung, Wohlbehagen, Tat-kraft. Er setzte sich im Pyjama an den Schreibtisch und legte die Papiere zurecht.
    Er war schließlich nicht der einzige, dem es so ging. Allen Wissenschaftlern. Überall. Die goldenen Zeiten der Unschuld sind längst vorbei, dachte er, die Illusion von der »reinen Wissenschaft«. Mulligan 81
    lachte, nicht höhnisch, nicht einmal bitter verwundert, spöttisch. Auch er hatte einmal geglaubt, man könne die Forschung von der Technologie, die ihre Ergebnisse und Entdeckungen ausbeutete, trennen.
    Naive Jugendträume. Niemand weiß, wozu eines Tages genutzt wird, was er entdeckt. Das ist nun mal das Schicksal

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