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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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machen. Nicht nur wegen der 219
    Sensation. Es ist so selten, daß einer unerschrocken die Wahrheit sagt. Warum wollen Sie mich sprechen?«
    »Ich bin begeistert von Ihrem Spiel. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.«
    »Ich will nicht ins Fernsehen.«
    »Sie würden viel Geld verdienen. Ich denke an ein Engagement auf Dauer.«
    »Vielen Dank für das Angebot«, sagte sie, »aber es geht nicht.
    Vergessen Sie es.«
    »Wie kann ich?« erwiderte ich. »Sie sind einfach zu gut, Maud. Viel zu gut, um nur in solchen Nestern aufzutreten. Ich biete Ihnen die Chance Ihres Lebens…«
    »Nein, endgültig nein.«
    »Warum wollen Sie sich nicht wenigstens mein Angebot anhören? Ich will Sie haben, ich werde nicht lockerlassen.«
    Sie sah mich nachdenklich an. »Also gut, aber nicht hier. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Während ich zusammenpacke, holen Sie einen kleinen Imbiß, dann fahren wir ein Stück vor die Stadt, einverstanden?«
    Ich überlegte nicht lange. Und Maud war mir im Moment wichtiger als alles andere. Vielleicht ist es sogar gut, dachte ich, wenn du erst abends in Traunstein ankommst. Weißenbacher war passionierter 220
    Blumenzüchter, vielleicht würde er mich kurz abfer-tigen, wenn ich ihn in seinem Garten störte.
    Maud wartete bereits hinter dem Lenkrad, als ich den kleinen Platz in dem Gewirr von Einbahnstraßen wiedergefunden hatte. Wenige Kilometer hinter dem Ort bog sie in einen Landweg ein, der über ein paar Hügel zu einer Mulde am Waldrand führte. Ein idealer Platz für ein Picknick, weltabgeschieden, nichts als Bäume und Himmel, Blumen und Gräser und ei-ne Stille, die man schon unwiderbringlich verloren glaubte.
    Ich hatte reichlich, aber nicht extravagant einge-kauft. Bei einfachen Frauen, das war meine Erfahrung, läuft man leicht auf, wenn man den Großkotz spielt. Also keine Trüffelpastete und Straßburger Gänselebercreme, weder geräucherten Lachs noch Hummer, dafür eine Auswahl an Schinken und Käse.
    Sie fragte, ob sie von jeder Sorte eine Kostprobe für das Abendessen beiseite legen dürfe.
    »Bitte«, sagte ich, »was übrigbleibt, gehört ohnehin Ihnen.«
    Sie legte trotzdem eine Scheibe von jeder Schinken- und Käsesorte auf einen Teller und brachte ihn in den Wohnwagen.
    Ich hatte sie falsch eingeschätzt, Maud wollte weder Cola mit Whisky noch Juice mit Wodka, sondern Fachinger Brunnen und den leichten, extratrockenen Weißwein, »um jedem Käse gerecht zu werden« eine 221
    Formulierung, die eher zu einem Gourmet als einer Landfahrerin paßte. Ich hatte sie unwillkürlich für eine einfache, ungebildete Frau gehalten, wie andere Artisten, die ich kannte, doch als sie sich ins Gras niederließ, zitierte sie:
    »O Täler weit, o Höhen O schöner grüner Wald Du meiner Lust und Wehen Andächt'ger Aufenthalt!«
    Eine Rummelplatzdame, die Eichendorff kannte.
    In Mieshof hatte Maud ein unauffälliges graues Kleid getragen, sicher, um alle Aufmerksamkeit auf das bunte Kasperle zu lenken, hier trug sie einen gelben Sari mit orangefarbenen Mustern, die Farben zogen Bienen und Wespen an, Maud verscheuchte sie nicht.
    Ich hatte mich so gesetzt, daß ich die Sonne im Rücken hatte, um sie beobachten zu können. Jetzt wirkte sie nicht mehr wie fünfzig. Gewiß, sie hatte dunkle Augenringe und tiefe Falten, aber ihr Hals, dieses Wahr-Zeichen für das Alter einer Frau, war fast makellos glatt, und wenn sie lachte, hatte Maud einen geradezu mädchenhaften Charme.
    Sie bestand darauf, daß zuerst ich erzählen sollte, von meiner Arbeit, und sie stellte präzise Zwischen-fragen, sogar zu Sendungen, die vor Jahren gelaufen waren, so daß ich Mühe hatte, mich zu erinnern. Sie schien jede Sendung von FOKUS gesehen zu haben.
    »Und Sie«, sagte ich schließlich, »was haben Sie 222
    gemacht, Maud? Sie sind doch nicht unter fahrendem Volk großgeworden.«
    »Stimmt«, sagte sie, »das mache ich noch nicht lange.«
    »Und vorher?«
    »Nichts, buchstäblich nichts. Gefaulenzt, den ganzen Tag spazierengegangen und geschwommen,
    ferngesehen und gelesen, meiner Kindheit nachge-sonnen à la recherche du temps perdu.«
    Proust kannte sie also auch. Offensichtlich sogar im Original.
    Aber sie schien eine Deutsche zu sein, der mund-sprachlichen Färbung nach, die gelegentlich aufblitz-te, aus Schwaben.
    »Und wo?« fragte ich.
    »Ach, irgendwo.«
    »Frankreich«, tippte ich. »Oder Belgien?«
    »Warum nicht Italien oder Deutschland?« fragte sie zurück.
    »Weil Sie offensichtlich mehr als

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