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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Ein Baby mit dem Gesicht eines Sechsjährigen und der Nase eines Erwachsenen.
    Ein Monster? Vielleicht sogar ohne Beine? Ein von skrupellosen Wissenschaftlern künstlich gezeug-ter Däumling? Kasperle gähnte im Schlaf, schmatzte unruhig.
    »Komm, wir wollen ihn nicht wecken.« Ich zog sie zur Tür. Wir setzten uns in den Schatten des Waldrandes.
    »Ich schwöre es«, sagte ich, »ich werde nichts tun, was euch schaden kann, aber jetzt muß ich unbedingt auch noch den Rest der Geschichte erfahren.«
    Sie sah mich an. »Darf ich dich einmal küssen?«
    241
    Es blieb nicht bei dem ersten scheuen Jungmäd-chenkuß. Vor zwei Minuten noch hatte ich in Maud nichts anderes gesehen als eine Frau mit einem Geheimnis, das ich unbedingt ergründen mußte, jetzt schien nichts selbstverständlicher, als daß wir uns liebten. Dann lagen wir still nebeneinander, Maud atmete schwer.
    »Ich hatte es längst vergessen«, flüsterte sie.
    »Nicht einmal mehr geträumt habe ich davon. Und nun bin ich eine alte Frau.«
    Ich protestierte. Als ich mich aufsetzte, zog sie den Sari über ihren Bauch. Die Brüste bedeckte sie nicht.
    Wunderschöne volle Brüste. Dazu eine makellose Haut welch Gegensatz zu ihrem Gesicht. Ich sagte ihr, daß ich schon lange nicht mehr so schöne Brüste, eine so glatte Haut gestreichelt hätte, und sie lächelte glücklich.
    »Vielleicht haben das die vielen Schwangerschaften bewirkt«, meinte sie. »Und dabei habe ich nur einmal mit einem Mann geschlafen. Drei Wochen lang, damals…« Sie weinte wieder.
    An diesem Abend, in dieser Nacht, vertraute sie sich mir rückhaltlos an. Nicht weil wir miteinander geschlafen hatten: Weil ich seit Jahren der erste war, mit dem sie sich unterhielt, offen sprechen konnte, der zweite Mensch überhaupt. Ich ließ Traunstein und Weißenbacher sausen; was war radioaktiver Schnee auf der Zugspitze gegen diese unglaubliche, 242
    ungeheure Geschichte. Ich ließ Maud sprechen. Und schweigen.
    Drängte nicht. Stellte nur Fragen, wenn sie den Faden verlor.
    Ich wußte, jetzt würde ich alles von ihr erfahren.
    Aber viele Fragen konnte sie nicht beantworten.
    Was aus den Kindern wurde, zum Beispiel. Wurden sie bald nach der Geburt umgebracht, fristeten sie noch eine Weile ihr Leben im Institutsbereich?
    Maud hatte all die Jahre kein Kind zu Gesicht bekommen sobald die Preßwehen einsetzten, wurden die Geburten unter Narkose fortgesetzt –, hatte sich damals auch nie Gedanken darüber gemacht!
    Sie hatte keine Ahnung, was aus den Frauen geworden war, die während ihrer Zeit aus dem »Sanatorium« ausschieden, sie wußte so wenig von ihnen, daß es unmöglich gewesen wäre, auch nur eine wiederzufinden. Lebten sie überhaupt noch? Wenn, dann sicher ohne sich zu erinnern, daß man sie als Gebärmaschinen mißbraucht hatte.
    Anfangs vermutete ich, daß man die Frauen unter irgendwelche Pharmadrogen gesetzt hatte, doch Maud sagte, sie hätten nicht einmal Bier oder Wein trinken oder rauchen dürfen, Medikamente habe es nur im äußersten Notfall gegeben, gesund leben sei das oberste Gebot gewesen. Das leuchtete mir ein.
    Drogen hätten möglicherweise die Forschungsergebnisse beeinträchtigt. Die Plazenta ist durchlässig, 243
    das sieht man an den vielen süchtig geborenen Kindern von Drogenabhängigen.
    Tamara, die Ärztin, die Maud half, hatte ihr er-klärt, man habe sie unter einer Art Hypnose gehalten.
    Ich habe eine Reihe von Experten befragt, natürlich ohne zu verraten, warum ich mich dafür interessierte, alle erklärten übereinstimmend, es sei möglich, geeignete Menschen auch über lange Zeit hypnotisch zu konditionieren, ihnen einerseits Tabus und Zwänge aufzuerlegen und sie andererseits sogar in die abwegigsten Glücksgefühle zu versetzen, ihnen einen erfundenen Lebenslauf zu suggerieren. Hypnose würde erklären, warum Maud sich nur glücklich fühlte, wenn sie schwanger war, warum ihr nahelie-gende Gedanken gar nicht erst in den Sinn kamen, warum sie Angst hatte, das Gelände zu verlassen…
    Und warum diese Leute nicht befürchteten, daß die Frauen den Skandal publik machen könnten, sie sogar entlassen durften, beispielsweise mit der Vita, sie hätten die ganze Zeit in einer Heilanstalt verbracht.
    Die Kanzlei, mit der Maud den Vertrag abschloß, hat existiert, aber als ich mich für sie interessierte, war sie schon seit einiger Zeit aufgelöst. Ohne eine Spur zu hinterlassen. Nicht einmal mehr die Putzfrau konnte ich auftreiben. Auch das Konto in der Schweiz hat es

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