Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
Vom Netzwerk:
einem mechanischen Hund, einer Puppe, mit Bällen und Reifen, stellte sich an einen Strauch und pinkelte ungeniert, pflückte Maud einen Blu-menstrauß, legte ihn aber ein Stück vor uns ins Gras.
    »Er ist scheu«, erklärte Maud. »Kasper ist es ja nicht gewohnt, andere als mich in der Nähe zu haben.« Sie rief ihn. »Guck mal, Kasper, was Onkel Herb dir mitgebracht hat.«
    Kasper stürzte sich auf das Essen.
    »Er ist ein großes Leckermaul«, sagte Maud, und ich bereute, daß ich keine Schokolade gekauft hatte, kein Obst. Kasper wurde schnell müde; es war noch keine halbe Stunde vergangen, da verlangte er, wieder ins Bett gebracht zu werden.
    »Ich weiß nicht einmal, ob er mein leiblicher Sohn ist«, sagte Maud, als sie wiederkam. »Wahrscheinlich war es das Ei einer anderen, mir ist das egal, ich habe ihn geboren. Und ich wollte ihn behalten. Wenigstens eines von vierzig oder fünfzig Kindern. Ein Däumling, ja, aber kein Monster, nicht wahr?« Sie 248
    blickte mich ängstlich an.
    »Nein«, versicherte ich, »ein Junge zum Liebha-ben.«
    Das war nicht gelogen. Ich hatte tatsächlich diese winzige, unschuldige, bedauernswerte, mißbrauchte Kreatur in mein Herz geschlossen. – Vor drei Tagen ist Kasper gestorben, ich weiß nicht, woran.
    Gestern Maud. Still und friedlich. Es war, als verlösche ihr Leben, nun, da sie ihre Aufgabe erfüllt hatte. Ich habe beide in dem kleinen Park des Grundstücks begraben, das ich ihretwegen gekauft hatte, ein Grundstück, in das kein Fremder Einblick nehmen konnte, knapp eine Autostunde von den Studios entfernt. Das ist der wahre Grund, warum ich keine Beiträge mehr für FOKUS machte, mich mit der Rolle des Redaktionsleiters und Moderators zufrieden-gab. Ich mußte doch immer dasein für Maud, die letzte und, wie ich glaube, größte Liebe meines Lebens.
    Jetzt bin ich frei, dieser vielleicht letzten, aber sicher größten Story meines Lebens nachzugehen.
    Maud, so hatte ich gesagt, konnte mir keinen Hinweis darauf geben, wo die Monsterfabrik lag. Aber da waren die Bäume und Blumen, Vögel und Insek-ten, der Wechsel der Jahreszeiten, die Geschwindigkeit, mit der die Dämmerung hereinbrach… Dutzende von winzigen Spuren für einen geduldigen Reporter. Ich zeichnete die Gebiete, die in Frage kamen, 249
    auf einer Karte ein, und als sich eines Tages ein junger Mann bei mir bewarb, der um jeden Preis für FOKUS arbeiten wollte, schickte ich ihn los. Ich setzte ihn keiner Gefahr aus, ich wollte nur Land-schaftsaufnahmen; eines Tages war es dann soweit: Maud erkannte eindeutig die Landschaft, die sie Tag für Tag aus den Fenstern ihres Appartements erblickt hatte, jene vier nicht allzuhohen Berge, die ihr immer wie zwei große M erschienen waren.
    Morgen früh mache ich mich auf den Weg. Des-
    halb habe ich heute diese Geschichte auf Video gesprochen. Ich werde das Band, meine Recherchen und die Aufnahmen vom Kasperle bei einem unverdächtigen Menschen hinterlegen.
    Wenn Sie also dieses Video und nicht einen der sensationellsten FOKUS-Beiträge aller Zeiten zu Gesicht bekommen, dann wissen Sie, Herb Kienzle ist tot. Ich vermute, »verunglückt«.
    Ich hoffe, ich kann wenigstens den Grundstein da-für legen, daß es dieses und ähnliche »Institute«
    nicht mehr länger gibt.
    250
    Der Heiligenschein

    Jerome Berthelot senkte die Augen, um dann blitzschnell wieder hochzuschauen, in die Augen der anderen; alle starrten ihn an, die meisten wendeten nicht einmal den Blick ab, wenn er sie ansah. Tiefes Wohlbehagen rieselte Berthelots Rücken hinab, kroch zwischen Hose und Haut bis an die Schenkel, ein Gefühl wie damals, Jerome erinnerte sich in diesem Augenblick nur zu gerne daran, als Tante Odile ihre Hand auf sein Hosenbein gelegt und überrascht gerufen hatte: Oh, Monsieur werden ein Mann!
    Berthelot senkte wieder den Blick auf die Zeitung, die Buchstaben tanzten vor den Augen. Er konnte seiner Verwirrung und dieser köstlichen Süße des Stolzes noch immer nicht Herr werden, wollte er es?
    Er wollte diesen Augenblick genießen, viel zu schnell gewöhnt sich der Mensch an das Gute. Er wußte auch ohne aufzusehen, daß alle ihn unverwandt anstarrten, er war der einzige Würdenträger hier, nicht nur in diesem Waggon, in der ganzen Metro. Morgen früh würde auch vor seinem Haus eine Limousine warten, der Chauffeur diensteifrig die Mütze vom Kopf ziehen und die Tür für ihn aufrei-
    ßen…
    Er hätte sich zu gerne so sitzen gesehen, doch er hatte beim Einsteigen, verwirrt durch

Weitere Kostenlose Bücher