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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Oder nachdem sie, wann auch immer, aus dem Institut entlassen werden? Wie erklären Sie sich das? Man hat Ihnen sicher die Kontonummer in der Schweiz genannt, verraten Sie mir die Bank und Nummer, das wäre der Anfang einer Spur, vielleicht ein Beweis. Warum schweigen Sie?«
    »Stimmt, ich habe mir alles nur ausgedacht«, sagte sie müde.
    »Ich denke mir oft Geschichten aus. Um die
    Wahrheit zu sagen, Herb, ich habe die dreißig Jahre in einer Heilanstalt verbracht.« Sie verzog ihr Gesicht zu einem dümmlichen Grinsen und begann vor sich hin zu trällern. »Lalala, dadada…«
    Man kann nicht so lange in meinem Beruf erfolg-reich sein, ohne eine Menge von Körpersprache und Physiognomie und Psychologie zu verstehen. Ihre Hände und Füße verrieten sie.
    Maud hatte die Zehen eingekrallt, die Hände gefaltet, die Knöchel traten weiß hervor, so preßte sie ihre Finger.
    »Spielen Sie mir nichts vor«, herrschte ich sie an.
    »Sie sind ebensowenig verrückt wie ich, Maud. Ich glaube Ihnen, man hat Sie unmenschlich mißbraucht.
    Ihre Geschichte ist ungeheuer, sie muß an die Öffent-lichkeit. Wollen Sie immer noch behaupten, das wäre 238
    keine Story für FOKUS?«
    »Wollen Sie etwa behaupten, FOKUS würde das
    bringen?« fragte sie zurück. »Das ist selbst für Sie zu groß, Herb. Sie haben vorhin gesagt, ich würde ständig in Angst schweben.
    Ja. Aber Sie müßten mit Todesängsten leben, sobald Sie mit den Recherchen beginnen. Denken Sie an Richards.«
    Richards war einer meiner Mitarbeiter gewesen, sein Fall hatte Schlagzeilen gemacht. Er glaubte, bei seinen Recherchen über Genchirurgie auf geheime Forschungen für biologische Waffen gestoßen zu sein. Innerhalb von zwei Tagen war er buchstäblich zerfallen. Zellauflösung. Ein Zufall, eine erstmals aufgetretene Virusmutation? Es wurde nie geklärt, obwohl wir sogar das kriminaltechnische Institut der Sorbonne einschalteten. Alle Welt vermutete, daß er versucht hatte, einen Beweis an sich zu bringen und dabei verunglückt war. Oder ermordet.
    Wir bekamen nicht einmal heraus, wo Richards sich am Tag vor seiner Erkrankung aufgehalten hatte.
    Vielleicht hatte Maud recht, und die Story war ein paar Nummern zu groß. Wenn es dieses Sanatorium und das Institut gab, dann mußte es ein ausgedehnter, hermetisch abgeschlossener Komplex sein, wie ihn nur eine Armee oder ein Geheimdienst unterhalten konnte. Oder einer der Multikonzerne, und die würden ebenso skrupellos jeden, der in ihre Karten guk-239
    ken wollte, abservieren. Wenn möglich, mit Ablen-kung oder Bestechung, aber in diesem Fall würden sie auch vor Mord nicht zurückschrecken. Trotzdem, ich mußte wenigstens wissen, woran ich war.
    »Verraten Sie mir die Kontonummer«, forderte ich noch einmal. Ich kannte jemand bei einer Schweizer Bank, der unauffällig prüfen konnte, ob es das Konto gab. Nach dreißig Jahren mußte eine beachtliche Summe darauf liegen.
    Maud blickte mich kopfschüttelnd an. »Ich fürchte, Sie wären tatsächlich imstande, sich an die Story zu machen. Nein, Herb. Lassen Sie es so, wie es ist.
    Bitte. Ich lebe. Nicht gut, aber auch nicht schlecht, ich bin zufrieden. Ich kann den Leuten ein wenig Freude bringen. Sie haben selbst erlebt, wie sie gelacht haben, den Alltag für ein paar Minuten vergessen ich flehe Sie an.«
    »Okay«, sagte ich, »ich kann Sie nicht zwingen.
    Aber ich bin jetzt überzeugt, daß Ihre Geschichte wahr ist. Und ich verstehe, daß Sie nach all den Schwangerschaften eine tiefe Sehnsucht nach einem Kind haben, daß Sie diese Kasperlepuppe unbedingt stehlen mußten…«
    »Gar nichts verstehen Sie!« Sie sprang auf.
    »Kommen Sie mit.«
    Sie lief mir voraus in den Wohnwagen. Da lag das Kasperle. In einem Babykorb. Im ersten Augenblick erkannte ich es nicht wieder, es lag auf der Seite, bis 240
    zum Kinn zugedeckt. Ohne die bunte Mütze, mit schwarzen Locken auf dem Kopf, und ohne die ku-gelrunden Apfelbäckchen, auch seine Nase war nicht mehr purpurrot. Und es atmete! Drehte sich auf den Rücken.
    »Verstehst du jetzt?« flüsterte Maud. »Ich muß ihn doch beschützen, er ist so klein, so hilflos.«
    »Dein Sohn?«
    Sie nickte, versuchte zu lächeln. Erbarmungswürdig hilflos, verzweifelt, Tränen liefen über ihre Wangen, ich mußte sie in den Arm nehmen und ihren Kopf, ihren Rücken streicheln. Sie drückte sich an mich, ihre Hände umklammerten meine Schultern.
    Sie weinte sich aus, während ich in den Babykorb starrte, auf das friedlich schlafende Kasperle.

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