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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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das respektvol-251
    le Zurückweichen der Gaffenden, nicht auf diesen Aspekt seiner wohl letzten Metrofahrt geachtet, die gegenüberliegende Scheibe war mit einem Plakat zugeklebt, das für die Trabrennen in Longchamp warb.
    O ja, er würde am Samstag im Bois de Boulogne dabeisein.
    Und am Sonntag bei der Regatta, und nicht länger mehr mußte er mit einem Stehplatz vorliebnehmen.
    Zu dumm, daß er sich nicht betrachten konnte: den Kopf ein wenig, würdevoll, gesenkt, und über seinem Schädel der leuchtende Heiligenschein. Ob der Schein sich auf seiner Kopfhaut spiegelte? Jetzt fand er es nicht mehr lästig, daß er bereits eine Glatze hatte, im Gegenteil, und den Haarkranz würde er auch noch rasieren. Und einen neuen Anzug kaufen, und und und Berthelot seufzte, nicht sorgenvoll, sondern genüßlich, als er an all die Dinge dachte, die sich jetzt ändern würden.
    Er stieg eine Station zu früh aus, schlenderte ge-mächlich den Boulevard hinunter und genoß die er-staunten, bewundernden Blicke der Entgegenkommenden. Er beschloß, auch künftig hin und wieder zu Fuß zu gehen. Ein Bad in der Menge nehmen, wie es bei Tussot hieß. Es tat gut, zu den Auserwählten zu zählen, unbeschreibbar gut. Er freute sich diebisch auf das Gesicht seiner Frau. Marie-Antoinette lag ihm seit Jahren in den Ohren, maulte, keifte zuweilen 252
    sogar, daß er es nie zu etwas bringen würde. Ein Name wie eine Königin, so klagte sie, und ein Leben wie eine Bettlerin. Was natürlich unsagbar übertrie-ben war; die Frau eines Oberreferendars lebte nicht wie eine Bettlerin; wahrscheinlich hatte M-A, wie er sie für sich nannte, oder, wenn er besonders wütend auf sie war, M-A-Q, das Q von Querelen, nicht einmal eine dumpfe Ahnung, wie eine Bettlerin lebte.
    Auch eine neue Wohnung würden sie jetzt beziehen, in einem der vornehmeren Quartiere, sicher bekam er bald ein Gartengrundstück vor den Toren der Stadt zugeteilt, noch nicht in einem der für die Öf-fentlichkeit nicht zugänglichen Gelände am See-oder Flußufer, schließlich hatte er nur den HS-7 ver-liehen bekommen, aber Berthelot schmunzelte vergnügt, einmal auf der Liste, immer auf der Liste. Das hatte sein Chef ihm vorhin bei der kleinen Feier vertraulich zugeflüstert, und Eminenz Thibault mußte es wissen, er besaß schon den HS-6.
    Berthelot pfiff vor sich hin, während er die Tür zu seiner Wohnung aufschloß. Von nun an führte sein Weg unaufhaltsam aufwärts: Eminenz, Verdiente Eminenz, Sehr Verdiente Eminenz, Euer Liebden…
    Er senkte den Kopf, hängte den Mantel, ohne hin-zusehen, an die Flurgarderobe, stellte sich vor dem Spiegel in Positur, drückte das Kreuz durch und zog den Bauch ein, dann erst hob er den Blick und betrachtete zum ersten Mal ruhig und bewußt, wenn 253
    auch mit Herzklopfen, sein Spiegelbild. Der Heiligenschein schwebte etwa zehn Zentimeter über seinem Kopf. Er verbreitete ein beruhigendes, zartes, fahlblaues Licht, das sich ein wenig auf Berthelots Platte spiegelte. Wahrlich, ein feierlicher, ein würdevoller Anblick. Berthelot senkte den Kopf nach links, dann nach rechts, riß ihn unversehens hoch, der HS
    machte jede Bewegung augenblicklich mit. Wie sie das nur machten? Die Funktionsweise der HS war eines der bestgehüteten Geheimnisse. Klar, dachte er, sonst könnte ja jeder ihn fälschen.
    Zur Feier des Tages gönnte er sich ein großes Glas Napoleon und eine Havanna. Von nun an, dachte er, würde er sich nicht nur an Sonn- und Feiertagen derartige Genüsse leisten können. Er schaltete den Fernseher an. M-A sollte ihn erst auf den zweiten Blick sehen, ihr erster Blick sollte wie immer auf den Bildschirm fallen, und daß gerade eine ihrer Lieblingssendungen, die Stunde des Hobbygärtners, begann, war ihm nur recht. Er hörte M-A die Tür aufschlie-
    ßen, gleich würde sie hereinkommen.
    M-A stürzte keuchend ins Zimmer, würdigte ihn keines Blikkes, murmelte nur »nabend«, ließ sich in ihren Sessel fallen und sah zu, wie man einen Pal-menkern anfeilen mußte, damit er mit großer Wahrscheinlichkeit keimte, vorausgesetzt, man legte ihn in warmer Milch ein… Berthelot störte sie nicht. Er hatte zutiefst verinnerlicht, daß er seine Gattin nie bei 254
    einer ihrer Lieblingssendungen stören durfte, und es gab, weiß Gott, viele davon; ihr gemeinsames Leben bestand nun, da die Kinder aus dem Haus waren, vor allem darin, vor dem Fernseher zu hocken. Berthelot mußte nicht hinsehen, er durfte die Zeitung oder ein Buch lesen oder am

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