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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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gegeben. Einen Tag nach Mauds Verschwinden wurde es eingerichtet, ein disponibles Konto jener Kanzlei. Ich bin sicher, es sollte nur als 244
    Falle dienen.
    Drei Monate später wurde es wieder aufgelöst. Ich denke, daß man sich entschlossen hatte, nicht länger nach Maud zu suchen. Was hätte sie auch verraten können? Wer hätte ihr geglaubt? Ohne Beweise –
    von Kasper wußte ja niemand.
    War ein Fehler unterlaufen, hatte man Maud schon zu lange konditioniert? Während ihrer letzten Schwangerschaft ließ der hypnotische Druck nach, im achten Monat, sie begann, sich für das wachsende Kind zu interessieren, schmiedete Pläne für die Zeit nach der Geburt, stellte der Ärztin Fragen, die sie nicht einmal denken durfte…
    Ich kann nur vermuten, warum Tamara bleiben wir bei diesem Namen sich so verhielt. Warum sie keine Meldung über das »abweichende Verhalten« ihrer Patientin machte. Tamara wußte zu diesem Zeitpunkt schon, daß sie unheilbar an Krebs erkrankt war. Ich vermute, daß der ständige Gedanke an den unbarmherzig näher rückenden Tod sie dazu brachte, über das nachzudenken, was sie dort tat, jahrelang getan hatte; vielleicht wurde sie schon lange von Gewis-sensbissen gequält und sah nun, da sie ohnehin aus dem Institut ausschied, eine Chance, wenigstens einmal etwas gutzumachen. Soviel ist sicher: Sie lö-
    ste Maud völlig aus der Konditionierung, isolierte sie unter einem Vorwand, half ihr, mit der neuen Situation fertig zu werden, tauschte dann das Neugebore-245
    ne gegen einen anderen Fötus aus, fälschte die Unterlagen, täuschte eine Nullschwangerschaft vor und schmuggelte die beiden aus dem Institutsgelände.
    Offensichtlich hat niemand Tamara verdächtigt, etwas mit Mauds Verschwinden zu tun zu haben, niemand suchte sie auf; nach ein paar Wochen befreite Tamara die beiden aus ihrem Versteck auf dem Dachboden.
    Fast drei Jahre haben Maud und Kasper bei ihr gelebt, bis kurz vor Tamaras Freitod.
    Tamara war es auch, die die Idee mit dem Kasperletheater hatte. Die beiden mußten ja ohne Hilfe leben können, und Kasper, das war längst klar, würde nie wachsen, ihm fehlten zwei Wachstumsfaktoren der Gruppe IGF, Hormone, die noch nicht synthe-tisch gewonnen werden konnten.
    »Wir haben immer wieder überlegt«, sagte Maud,
    »die Idee mit dem Kasperle schien uns die einzig mögliche. Und es hat ja auch geklappt. Schon über ein Jahr. Ich bin sicher, niemand sucht mich mehr.«
    »Aber jeden Tag kann jemand über das Kasperle stolpern. So wie ich. Zuerst dachte ich nur, du wärst eine besonders begabte Bauchrednerin.«
    »Die Nummer ist gut, nicht wahr?«
    »Perfekt. Eure witzigen Dialoge, Kasperles
    schlagfertige Antworten.«
    »Alles einstudiert. Er ist nicht sehr intelligent, weißt du. Er kann zwar sprechen, aber er hat Schwie-246
    rigkeiten, selbständig zu formulieren. Auswendigler-nen ist kein Problem für ihn, er kann alle meine Lieblingsgedichte.«
    »Aber dann«, sagte ich, »als er jonglierte…«
    »Ja, ich hätte es ihm nicht erlauben dürfen. Aber er hat so sehr gebettelt, er ist so stolz darauf, ich konnte einfach nicht mehr widerstehen.« Sie seufzte.
    »Ich werde ihm beibringen müssen, daß er es nicht mehr darf, dann kann nichts passieren. Ich habe eine Lizenz Tamara hat sie mir beschafft.
    Auch unverdächtige Papiere, den Wohnwagen sie hat uns hierhergebracht.«
    »Weil Kasper nur deutsch spricht?«
    »Das auch. Vor allem aber ist es weit weg von dort.«
    Maud konnte nicht verraten, wo das Institut lag.
    Sie konnte mir kaum einen Hinweis geben, obwohl ich sie nach allen Regeln meiner Kunst ausfragte.
    Dem Klima nach irgendwo in der Nähe des Mittelmeeres. Seit nahezu alle Programme via Satellit übertragen werden, ist Fernsehen kein Kriterium mehr, Zeitschriften und Bücher konnte sie nach Be-lieben bestellen, ihre Fernstudien hatte sie sowohl an französischen wie deutschen Hochschulen betrieben, die Ärzte sprachen deutsch oder französisch mit ihr, ebenso das Personal, aber Maud glaubte, daß sich die Kellner und Hilfskräfte, soweit sie nicht aus Asien stammten, untereinander auf spanisch oder portugie-247
    sisch verständigten. Oder sizilianisch?
    Wir sprachen bis tief in die Nacht, nur einmal wurden wir unterbrochen, aus dem Wohnwagen rief es: »Mama, Mama!«
    Maud holte den Kasper, sie trug ihn die vier Stufen hinunter, dann setzte sie ihn auf die Wiese. Er hatte Beine, wenn sie auch babyhaft kurz waren, er tollte auf eine drollige Weise durch das hohe Gras, spielte mit

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