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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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davon.
    Berthelot holte sich neuen Wein und hockte dann allein unter einer der Brücken, warf Kiesel ins Wasser, bis er auf die Seite fiel und schnarchte.
    Es wurde bereits dunkel, als er aufwachte. Er schlich sich nach Hause, versteckte sich, wenn jemand entgegenkam; er hatte nicht nur die Hose, sondern auch Jackett und Hemd mit Rotwein bekleckert.
    Nur gut, daß zu dieser Stunde die miteinander wettei-fernden Familienprogramme der sechs Dutzend
    Fernsehsender die Straßen leergefegt hatten. Er wollte sich noch einen Augenblick in den Park setzen und nachdenken, wie er M-A-Q seinen desolaten Zustand erklären konnte, da erblickte Berthelot in einer schummerigen Ecke hinter dem Springbrunnen einen hellen Schein, und als er näher heranging, erkannte er, daß es ein Heiligenschein war.
    Lag es daran, daß sein Blick noch immer vom
    Rotwein getrübt war, Berthelot erkannte den anderen erst, als er schon der einladenden Handbewegung Folge geleistet hatte und neben ihm auf der Bank 265
    saß. Montarde!
    »Sie? Hier? Und…?« Berthelot zeigte auf den
    Heiligenschein.
    »Ja, warum nicht?« erwiderte Montarde. »Was
    verwundert Sie so?«
    »Ich denke«, stammelte Berthelot, »ich denke, Sie sind in UN-G? Ich war doch selbst dabei, als der Rat Sie verdammte.«
    »So, waren Sie?« Montarde sah ihn belustigt an.
    »Ich hoffe für Sie, Sie haben nicht für mich ge-stimmt.«
    »Natürlich nicht!« Berthelot stand auf. Das fehlte noch, daß ihn jemand neben diesem Renegaten sah.
    »Warum gehen Sie denn?« sagte Montarde. Lag
    tatsächlich etwas wie Flehen in Montardes sonst so hochmütigem Tonfall?
    »Das fragen Sie noch? Ich verstehe nur nicht…«
    »Daß ich den HS behalten habe?« Montarde lach-te, es war ein recht gequältes Lachen. »Wissen Sie eine bessere Methode, jemanden zu isolieren, unschäd…«
    Berthelot hielt sich die Ohren zu und rannte los.
    266
    Der Rowdy

    Ausdruck des Tonprotokolls
    1B/2023/4/17/1ma/Pa/f – 62.77.01.00.01
    Untersuchungsführer: M-Leutnant Friedel Zernicke.

    U.: Berlin, den 17. April 2023. Vorgeführt wurde Herbert Pachnicke, 91 Jahre alt, Rentner. Die Be-schuldigung lautet: mehrfache, vorsätzliche, schwere Sachbeschädigung und mehrfache, leichte Körperverletzung, begangen am heutigen Tag im Palasthotel; der Sachschaden ist beträchtlich, die Verletzten konnten nach ambulanter Versorgung entlassen werden. Anzeige erstatteten: die Verletzten, der Objekt-leiter des Palasthotels, der Vorsitzende des zuständigen Komitees für Ordnung und Sicherheit. Der Be-schuldigte wurde am Tatort unmittelbar nach Bege-hen der Tat von einer Streife der Miliz festgenommen, er leistete keinen Widerstand.
    U.: Bürger Pachnicke, bekennen Sie sich schuldig oder unschuldig?
    B.: Schuldig.
    U.: Was können Sie zu Ihrer Entlastung anführen?
    Sind Sie psychisch krank? Befinden Sie sich deshalb in ärztlicher Betreuung? Haben Sie ein Attest wegen ständiger oder zeitweiser verminderter Zurechnungs-fähigkeit?
    267
    B.: Nein, ich bin geistig völlig gesund. Ich war erst vorige Woche zur Routineuntersuchung.
    U.: Standen Sie zur Tatzeit unter dem Einfluß von Drogen oder Medikamenten?
    B.: Ich war weder besoffen noch sonstwie bene-belt.
    U.: Wollen Sie sagen, daß Sie die Tat bei klarem Bewußtsein ausgeführt haben?
    B.: Ja, ich habe mich selten so wohl gefühlt wie heute.
    U.: Dann erklären Sie mir bitte, wie es zu diesem skandalösen Vorfall kommen konnte. Sie sind
    schließlich ein alter Mann…
    B.: Einundneunzig.
    U.: Bereuen Sie Ihre Tat? Ich denke, wenn Sie Reue zeigen, findet sich bestimmt ein Weg, den Vorfall zu bagatellisieren, irgendwelche mildernden Um-stände…
    B.: Nein, ich bereue es nicht, ganz im Gegenteil, und ich verwahre mich dagegen, daß dieser Vorfall vertuscht werden soll.
    Notfalls werde ich mich an die Massenmedien
    wenden.
    U.: Nun verstehe ich gar nichts mehr. Erklären Sie.
    B.: Ach, das ist eine lange Geschichte.
    U.: Wir haben alle Zeit, die notwendig ist.
    B.: Wo soll ich da nur beginnen?
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    U.: Am besten mit dem Anfang.
    B.: Der liegt sehr weit zurück. Die Sache begann vor, lassen Sie mich nachrechnen, vor achtundsiebzig Jahren.
    U.: Wollen Sie ernsthaft behaupten, Ihr Randalie-ren und Ihre Tätlichkeiten gegen junge Leute, die ausnahmslos erst in diesem Jahrhundert geboren wurden, hätten ihre Ursache im vorigen Jahrtausend?
    B.: Ich gebe zu, es mag merkwürdig klingen, aber so ist es.
    U.: Gut, fangen Sie dort an, wo Sie glauben, daß es begonnen hat.
    B.: Das war

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