Die Phrrks
abschalten. Aber wozu auch?
Was gab es zu lachen über einen HS? Jaqueline wür-de nicht lachen. Berthelot zog sich verbittert in sein Bett zurück, da half kein Betteln von M-A, die sich diese überraschende Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, sogar anbot, sich ausnahmsweise auf den Bauch zu legen wozu denn noch.
Am nächsten Morgen wartete eine schwarze Li-
mousine vor der Tür, doch der Chauffeur sprang nicht eilfertig heraus, riß nicht den Schlag für ihn auf, tippte nur kurz an die Mütze, als Berthelot ein-258
stieg und frohgemut einen »Guten Morgen« wünschte, dafür hatte er mehrmals ungeduldig gehupt; es regnete, und Berthelot hatte sich nicht entscheiden können, was er aufsetzen sollte. Der HS, so fand er, sah in jedem Fall unmöglich aus, ganz gleich, ob er nun über der Schirmmütze oder der Baskenmütze oder dem Filzhut schwebte vielleicht über einer Me-lone? Er würde mit anderen Eminenzen in Erfah-rungsaustausch treten, und nun würde keiner ihn mehr herablassend behandeln auch ein Schirm war offensichtlich nicht günstig, die Metallstreben schienen das ideale Kreisrund zu verformen.
In dem Wagen saßen schon drei andere, Berthelot mußte sich hinten auf die Bank quetschen. Er kannte keinen von ihnen, doch sie begrüßten ihn mit »Herzlich willkommen im Kreis der Scheinheiligen«.
Berthelot erschrak über diese frivole Bemerkung, aber schließlich war er der Neuling, was wußte er, vielleicht war so etwas üblich im Kreis der Eminenzen, vielleicht mußte man den HS sogar ein wenig nivellieren, um die schwere Bürde der GNADE
überhaupt zu ertragen. Er versprach nur, künftig auf die Sekunde pünktlich zu sein, wie es seine Art sei.
An seiner Tür prangte bereits ein neues Schild, nunmehr silber auf blauem Grund und mit »Eminenz« vor seinem Namen. Die Kollegen behandelten ihn mit ausgesuchter Höflichkeit, sogar mit Ehr-furcht, das Mittagessen nahm Berthelot in der Kanti-259
ne der Eminenzen ein, er stellte befriedigt fest, daß es nicht nur, wie vermutet, Vorsuppe und Nachspeise gab, sondern drei Gänge: Fisch, Geflügel, Fleisch, und er überlegte, was für erlesene Genüsse die Kan-tine der Heiligen bereithalten mochte, kurzum, er war rundum zufrieden.
M-A weniger. Der Einkauf im HS-Magazin sei ein einziger Frust gewesen, jammerte sie; angesichts der ungewohnten Fülle des Angebots all der Dinge, die so begehrenswert in den Regalen lauerten und von denen sie sich auch jetzt nur einen Bruchteil leisten konnten, sei sie sich nur noch ärmer vorgekommen als früher. Berthelot erinnerte sich eines Märchens, das seine Deutschlehrerin einmal vorgelesen hatte: Vom Fischer und seiner Frau. Nein, dachte er, M-A ist keine Frau für eine Eminenz. An diesem Abend verweigerte er ihr, zum ersten Mal seit Jahren, seine Anwesenheit vor dem Fernseher, zog sich unter dem Vorwand, er müsse eine wichtige Sache bedenken, die seiner neuen Würde entsprach, in die Küche zu-rück und dachte bei einem Bier an die Freuden des Samstags.
Auch über den Garten, den sie am Freitag besichtigen durften, maulte M-A, er schien ihr viel zu klein, vor allem der Pavillon; wie sollte er die ganze Familie fassen, wenn es einmal regnete. »Das ist doch klar, mein Lieber, daß wir nun die Wochenenden im Kreis all unserer Lieben verbringen, keine Widerre-260
de!«
Dabei hatte er nicht einmal den Mund verzogen, obwohl allein der Gedanke, Sonntag für Sonntag ihre und seine Sippe sehen zu müssen, ihm den Magen umdrehte. Dann zerbrach M-A noch seinen geheimen Traum, hin und wieder einen Abend mit Jaqueline hier zu verbringen, indem sie kategorisch entschied, daß Louis, ihr Ältester, vorerst hier einziehen würde, bis sein Vater verächtlicher Seitenblick ihm endlich eine eigene Wohnung besorgte. Was sollte ihm nun noch der Garten?
Und dann lachte Jaqueline doch! Nicht, als Berthelot in der Tür stand, da warf sie sich ihm an den Hals, wie sie es erst einmal getan hatte damals, als es ihm gelungen war, eine Karte für das Queatles-Konzert aufzutreiben –, aber als sie endlich im Bett lagen, bekam sie, auch sie, einen Lachkrampf.
Gewiß, sie gab sich große Mühe, den gallischen Hahn noch zum Krähen zu bringen, doch es war mehr ein Krächzen.
Überhaupt, die Affaire mit Jaqueline wurde mit einem Mal zum Problem. Nicht wegen Jaqueline, die war nur zu gerne bereit, sich mit einem HS-Träger zu zeigen, doch wie konnte er das?
Bisher hatte niemand auf ihn geachtet, alle Blicke galten ihr, und Berthelot war stolz
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