Die Phrrks
auf die begehrli-chen Blicke gewesen, die andere Männer seiner Ge-liebten zuwarfen. Sie glich ja auch eher einem der 261
strahlenden Showstars als einer Flurreinigerin, die selbst diese Qualifikation wahrscheinlich nur auf Grund ihrer Schönheit erreicht hatte. Nun konnte Berthelot sogar Karten für die Nightshow im Moulin Rouge bekommen, von der Jaqueline immer ge-träumt hatte, doch er war der einzige HS-Träger in dem Etablissement, und sein Heiligenschein leuchtete unanständig hell im abgedunkelten Zuschauer-raum, Jaqueline protestierte laut, als er sie schließlich hinauszog.
Nicht anders erging es ihm in dem italienischen Restaurant, das sie immer besuchten. Berthelot nahm den Wirt zur Seite, erklärte ihm sein Problem. Der Wirt lächelte verständnisvoll, verriet, daß er für solche Gäste Separees mit Eingang von der Seitenstraße hatte, doch Jaqueline wollte nicht heimlich in ein Restaurant gehen. Dann, so maulte sie, könnten sie ja gleich zu Hause bleiben was Berthelot nur zu recht gewesen wäre.
Ja, dachte er traurig, eine Frau wie Jaqueline will nicht nur sehen, sie will auch gesehen werden. Doch Heiligenschein und Geliebte vertrugen sich nun einmal nicht, zumindest nicht öffentlich. Ob Eminenzen sich scheiden lassen durften? Aber Jaqueline war keine Frau für eine Eminenz. Höchstens, wenn sie sich taubstumm stellte. Allein ihr Lachen, das ihm zwar gefiel, aber wohl doch ein wenig ordinär war…
Auch mit dem Privileg der freien Rede hatte es ei-262
nen Haken.
Im Rat der Heiligen, das machte man Berthelot vor der ersten Sitzung unmißverständlich klar, durften nur die Träger des HS-1 und HS-2 unaufgefordert das Wort ergreifen, seine Rolle blieb die eines Cla-queurs. Berthelot störte es nicht, er spürte, welche Befriedigung ihn erfüllte, in diesem Rund klatschen zu dürfen, er war überglücklich, als er sich zum ersten Mal zu frenetischem Beifall erhob. Und Montarde war tatsächlich in UNGNADE gefallen, ein Renegat, der das Gungsys in Frage stellte; Berthelot hob begeistert die Hand für seine Verdammung.
Schwieriger war es im Amt; selbst bei Nichtigkeiten, bei denen er sonst schon einmal bedenklich den Kopf schütteln oder die Unterlippe verächtlich herausstülpen konnte, mußte er jetzt zustimmen, durfte nicht einmal mehr regungslos verharren, keine Meinung bekunden, denn alle orientierten sich verständlicher-weise nach den Eminenzen.
Nein, das Leben eines Heiligenscheinträgers hatte er sich, weiß Gott, anders vorgestellt, vergnüglicher, unbesorgter, heiterer. In der GNADE zu stehen, das merkte er von Tag zu Tag mehr, war weniger von Rechten als von Pflichten bestimmt.
Am nächsten Samstag blieb Jaquelines Tür ge-
schlossen.
Berthelot klingelte immer wieder, wummerte
schließlich mit der Faust gegen die Tür, daß die 263
Nachbarin den Kopf herausstreckte und sagte, er solle sich schämen, gerade er!
Jaqueline saß in einem Cafe auf dem Boulevard, Berthelot wollte zuerst seinen Augen nicht trauen, aber das war eindeutig sie, die da diesen Kniich mit verliebten Augen anhimmelte.
Am Ende war er schon lange ein Hahnrei gewe-
sen?
Was tun mit dem so unfreiwillig gewonnenen
Samstag? Undenkbar, die kostbare Zeit mit M-A-Q
zu vergeuden – er nannte sie jetzt nur noch so, sie war auf eine Art unzufrieden und zänkisch geworden, die selbst einen noch Friedfertigeren zur Verzweiflung gebracht hätte –, nein, er würde einen ruhigen Samstag verbringen, wie er es vor seiner Heirat getan hatte, ein Gläschen im Bistro, ein kleiner Schwatz, eine Partie Billard… Als er jedoch vor seinem Pernot stand, kehrten alle ihm den Rücken zu, niemand wollte sich in ein Gespräch ziehen lassen, niemand Billard mit ihm spielen. Ja, er war nicht mehr einer der ihren.
Im Park trafen ihn mißtrauische Blicke; und obwohl sonst alle Bänke besetzt waren, setzte sich nur einmal eine alte Dame zu ihm, und die trug die Blin-denarmbinde. Auch als er den Anglern an der Seine zusehen wollte – nicht mehr, als still zusehen! –, traktierte jeder ihn mit Mißtrauen und packte nach einer mehr oder weniger langen Schamfrist seine 264
Angel ein.
Wild entschlossen, sich den Samstag nicht verderben zu lassen, kaufte Berthelot drei Literflaschen Rotwein und ging zu den Brücken. Die Clochards nahmen den Wein, doch auf ein Gespräch ließen auch sie sich nicht ein, rissen nur ein paar säuische Witze, die Berthelot übrigens allesamt kannte; als die Flaschen leer waren, zogen die Clochards
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