Die Phrrks
unsterblich in sie verliebten Mann zu verwandeln? Nein, am Ende würde der sie dann mit seiner Eifersucht verfolgen, wenn sie seiner überdrüssig geworden war. Sie war fest entschlossen, ihr neues Leben in vollen Zügen zu genießen. Sie beglück-wünschte sich einmal mehr, daß sie damals das Radio zur Reparatur gebracht hatte.
Emma begann, Bilder aus alten Illustrierten und aus Büchern auszuschneiden, von Brigitte Bardot, von Häusern am Meer, von Vorortvillen, von traum-haften Inneneinrichtungen, vor allem von Luxusbä-
dern, von kostbaren Gläsern und Porzellan und erle-senem Schmuck, einer Motorjacht, einem italienischen Sportwagen, denn natürlich würde sie Auto fahren können vielleicht auch fliegen? Nicht auf einem Besen, versteht sich, in einem Düsenklipper.
Bei ihrer Suche stieß sie auf ein Bild jener Frau, die damals ihr Radio entgegengenommen hatte.
Emma studierte es lange.
Nein, sagte sie sich schließlich, die Mittelstürmerin der Fußball-Nationalmannschaft wird sich kaum 32
in so einen miesen Laden setzen.
Jeden Freitagabend leistete Emma sich einen He-xensalbentrip, und ihre Ausflüge wurden von Mal zu Mal aufregender, die Orgien immer ausschweifender.
Was sie alles in ihren Träumen tat! Dinge, bei denen sie früher vor Scham in die Erde gesunken wäre; jetzt schämte sie sich, daß sie einmal so dumm gewesen war. Aber erlebte sie es nicht jetzt, konnte sie überhaupt unterscheiden, ob das nur Träume waren oder die Erinnerungen an etwas sehr Reales? Egal.
Auf jeden Fall war es unerhört erregend. Daß ich das noch erleben darf! dachte sie immer wieder. Sie war rundum zufrieden und glücklich, und sie hätte ihre kleinen Gäste gern jeden Abend bewirtet, doch die wollten nur einmal in der Woche Eigelb und sonn-tags Stampfkartoffeln, alle anderen Speisen lehnte Phti ab.
Eines Nachmittags kam Frau May von der Kom-
munalen Wohnungsverwaltung, um Emma zu über-
zeugen, ihre Wohnung gegen eine kleinere zu vertau-schen. Sie sprach von der immer noch großen Woh-nungsnot und bot eine Einzimmer- Komfortwohnung an, natürlich würde man auch den Umzug bezahlen.
»Gedulden Sie sich noch ein Weilchen«, erklärte Emma freundlich, »es wird ja nicht mehr lange dauern, bis ich diese Wohnung frei mache.«
»An so etwas dürfen Sie gar nicht denken«, sagte die Verwalterin erschrocken. »Sie sind doch noch…«
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»Ach«, unterbrach Emma, »ich denke oft daran, und ich muß gestehen, nicht ohne Vorfreude; dies ist doch kein Leben.«
Dann erschrak sie. Die Straßenlampen brannten bereits, jeden Augenblick konnten die Männchen erscheinen. Eilends drängelte sie die Verwalterin hinaus. An diesem Abend fragte sie Phti, wie lange sie noch bleiben wollten.
»Bist du unser überdrüssig?« erkundigte er sich besorgt.
»Das nicht. Aber ich habe Angst, daß ich es nicht mehr erlebe.
Du weißt doch…«
Phti nickte verständnisvoll. »Keine Angst, Emma, du wirst es erleben, das verspreche ich dir.«
Erleichtert setzte sich Emma an den Weltatlas, um weiter an ihrer Traumreise rund um den Globus zu arbeiten. Dann hörte sie in den Spätnachrichten, daß Waikiki und Tuolahoa von einem Seebeben verschlungen worden seien und daß die ganze Welt der Atolle und Inseln im Pazifik bedroht sei. Gerade jetzt, da sie sich entschlossen hatte, eine lange Tour durch die Südsee zu unternehmen!
Von nun an verfolgte sie wieder aufmerksam die Nachrichten.
Wie viele Katastrophen geschahen. Die Erde wür-de doch wohl nicht ausgerechnet jetzt zuschanden werden, da sie sich eine aufregende Zukunft entwarf?
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Aber vielleicht, dachte sie, war es schon lange so, und sie hatte nur nicht darauf geachtet, weil das Schicksal dieses Planeten sie ohnehin nichts mehr anging?
Ihre Besorgnis wuchs. Meldungen von Erdbeben und Flutkatastrophen häuften sich. Von gewaltigen Wolkenbrüchen und Überschwemmungen war die
Rede, vom bedrohlichen Wachsen der Gletscher und des Polareises, von landesweiten Blackouts der Stromnetze und Computersysteme mit all ihren schrecklichen Folgen: von eingeklemmten Fahrstühlen und steckengebliebenen Untergrundbahnen, in denen Panik ausbrach oder die Menschen erstickten, von Patienten, die auf den Operationstischen starben, weil seltsamerweise auch die Notstromaggregate versagten, von der massenweisen Vernichtung von Nahrungsmitteln durch den Ausfall der Kühlanlagen, von Kühen, Schweinen und Hühnern, die zu Zehn-tausenden in den modernen Stallungen krepierten, von Zügen, die
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