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Die Physiker

Die Physiker

Titel: Die Physiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Jüngster,
Jörg-Lukas. Vierzehnjährig.
    JÖRG-LUKAS   Grüß dich, Papi.
    MÖBIUS   Grüß dich, Jörg-Lukas,
mein Jüngster.
    FRAU ROSE   Er gleicht dir am
meisten.
    JÖRG-LUKAS   Ich will ein Physiker
werden, Papi.
    MÖBIUS starrt
seinen Jüngsten erschrocken an   Physiker?
    JÖRG-LUKAS   Jawohl, Papi.
    MÖBIUS   Das darfst du nicht,
Jörg-Lukas. Keinesfalls. Das schlage dir aus dem Kopf. Ich – ich verbiete es
dir.
    JÖRG-LUKAS ist verwirrt   Aber du bist doch auch ein Physiker geworden, Papi –
    MÖBIUS   Ich hätte es nie werden
dürfen, Jörg-Lukas. Nie. Ich wäre jetzt nicht im Irrenhaus.
    FRAU ROSE   Aber Johann Wilhelm,
das ist doch ein Irrtum. Du bist in einem Sanatorium, nicht in einem Irrenhaus.
Deine Nerven sind einfach angegriffen, das ist alles.
    MÖBIUS schüttelt den Kopf   Nein, Lina. Man hält mich für [38]  verrückt. Alle. Auch
du. Und auch meine Buben. Weil mir der König Salomo erscheint.
    Alle schweigen verlegen. Frau Rose stellt Missionar
Rose vor.
    FRAU ROSE   Hier stelle ich dir
Oskar Rose vor, Johann Wilhelm. Meinen Mann. Er ist Missionar.
    MÖBIUS   Dein Mann? Aber ich bin
doch dein Mann.
    FRAU ROSE   Nicht mehr, Johann
Wilhelmlein. Sie errötet. Wir sind doch geschieden.
    MÖBIUS   Geschieden?
    FRAU ROSE   Das weißt du doch.
    MÖBIUS   Nein.
    FRAU ROSE   Fräulein Doktor von
Zahnd teilte es dir mit. Ganz bestimmt.
    MÖBIUS   Möglich.
    FRAU ROSE   Und dann heiratete ich
eben Oskar. Er hat sechs Buben. Er war Pfarrer in Guttannen und hat nun eine
Stelle auf den Marianen angenommen.
    MISSIONAR ROSE   Im Stillen Ozean.
    FRAU ROSE   Wir schiffen uns
übermorgen in Bremen ein.
    Möbius schweigt, die anderen sind verlegen.
    FRAU ROSE   Ja. So ist es eben.
    MÖBIUS nickt
Missionar Rose zu   Es freut mich, den neuen Vater meiner Buben
kennenzulernen, Herr Missionar.
    MISSIONAR ROSE   Ich habe sie fest
in mein Herz geschlossen, Herr Möbius, alle drei. Gott wird uns helfen, nach
dem Psalmwort: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
    [39]  FRAU ROSE   Oskar kennt alle
Psalmen auswendig. Die Psalmen Davids, die Psalmen Salomos.
    MÖBIUS   Ich bin froh, daß die
Buben einen tüchtigen Vater gefunden haben. Ich bin ein ungenügender Vater
gewesen.
    FRAU ROSE   Aber Johann
Wilhelmlein.
    MÖBIUS   Ich gratuliere von ganzem
Herzen.
    FRAU ROSE   Wir müssen bald
aufbrechen.
    MÖBIUS   Nach den Marianen.
    FRAU ROSE   Abschied voneinander
nehmen.
    MÖBIUS   Für immer.
    FRAU ROSE   Deine Buben sind
bemerkenswert musikalisch, Johann Wilhelm. Sie spielen sehr begabt Blockflöte.
Spielt eurem Papi zum Abschied etwas vor, Buben.
    DIE BUBEN   Jawohl, Mami.
    Adolf-Friedrich öffnet die Mappe, verteilt die
Blockflöten.
    FRAU ROSE   Nimm Platz, Johann
Wilhelmlein.
    Möbius nimmt am runden Tisch Platz. Frau Rose und
Missionar Rose setzen sich aufs Sofa. Die Buben stellen sich in der Mitte des
Salons auf.
    JÖRG-LUKAS   Etwas von Buxtehude.
    ADOLF-FRIEDRICH   Eins, zwei,
drei.
    Die Buben spielen Blockflöte.
    FRAU ROSE   Inniger, Buben,
inniger.
    Die Buben spielen inniger. Möbius springt auf.
    [40]  MÖBIUS Lieber nicht! Bitte, lieber nicht!
    Die Buben halten verwirrt inne.
    MÖBIUS   Spielt nicht weiter.
Bitte. Salomo zuliebe. Spielt nicht weiter.
    FRAU ROSE   Aber Johann Wilhelm!
    MÖBIUS   Bitte, nicht mehr
spielen. Bitte, nicht mehr spielen. Bitte, bitte.
    MISSIONAR ROSE   Herr Möbius.
Gerade der König Salomo wird sich über das Flötenspiel dieser unschuldigen
Knaben freuen. Denken Sie doch: Salomo, der Psalmendichter, Salomo, der Sänger
des Hohen Liedes!
    MÖBIUS   Herr Missionar. Ich kenne
Salomo von Angesicht zu Angesicht. Er ist nicht mehr der große goldene König,
der Sulamith besingt und die Rehzwillinge, die unter Rosen weiden, er hat
seinen Purpurmantel von sich geworfen –
    Möbius eilt mit einem Male an der erschrockenen
Familie vorbei nach hinten zu seinem Zimmer und reißt die Türe auf.
    MÖBIUS   – nackt und stinkend
kauert er in meinem Zimmer als der arme König der Wahrheit, und seine Psalmen
sind schrecklich. Hören Sie gut zu, Missionar, Sie lieben Psalmworte, kennen
sie alle, lernen Sie auch die auswendig:
    Er ist zum runden Tisch links gegangen, kehrt ihn
um, steigt hinein, setzt sich.
    [41]  MÖBIUS  
    Ein Psalm Salomos, den Weltraumfahrern zu singen.
    Wir hauten ins Weltall ab.
    Zu den Wüsten des Monds. Versanken in ihrem Staub.
    Lautlos verreckten
    Manche schon da. Doch die meisten verkochten
    In den

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