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Die Physiker

Die Physiker

Titel: Die Physiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Bleidämpfen des Merkurs, lösten sich auf
    In den Olpfützen der Venus, und
    Sogar auf dem Mars fraß uns die Sonne,
    Donnernd, radioaktiv und gelb.
    FRAU ROSE   Aber Johann Wilhelm –
    MÖBIUS  
    Jupiter stank,
    Ein pfeilschnell rotierender Methanbrei,
    Hing er so mächtig über uns,
    Daß wir Ganymed vollkotzten.
    MISSIONAR ROSE   Herr Möbius –
    MÖBIUS  
    Saturn bedachten wir mit Flüchen.
    Was dann weiter kam, nicht der Rede wert:
    Uranus, Neptun
    Graugrünlich erfroren,
    Über Pluto und Transpluto fielen die letzten
    Unanständigen Witze.
    BUBEN   Papi –
    MÖBIUS  
    Hatten wir doch längst
die Sonne mit Sirius verwechselt,
    Sirius mit Kanopus,
    Abgetrieben, trieben wir in die Tiefen hinauf
    Einigen weißen Sternen zu,
    Die wir gleichwohl nie erreichten,
    [42]  FRAU ROSE   Johann Wilhelmlein!
Mein liebes Johann Wilhelmlein!
    MÖBIUS  
    Längst schon Mumien in
unseren Schiffen
    Verkrustet von Unrat:
    Die Oberschwester kommt mit Schwester Monika von
rechts.
    OBERSCHWESTER   Aber
Herr Möbius.
    MÖBIUS  
    In den Fratzen kein Erinnern mehr
    An die atmende Erde.
    Er sitzt starr, das Gesicht maskenhaft, im
umgekehrten Tisch.
    FRAU ROSE   Johann Wilhelmlein.
    MÖBIUS   Packt euch nun nach den
Marianen fort!
    DIE BUBEN   Papi –
    MÖBIUS   Packt euch fort!
Schleunigst! Nach den Marianen! Er erhebt sich drohend.
    Die Familie Rose ist verwirrt.
    OBERSCHWESTER   Kommt, Frau Rose,
kommt, ihr Buben und Herr Missionar. Er muß sich beruhigen, das ist alles.
    MÖBIUS   Hinaus mit euch! Hinaus!
    OBERSCHWESTER   Ein leichter
Anfall. Schwester Monika wird bei ihm bleiben, wird ihn beruhigen. Ein leichter
Anfall.
    MÖBIUS   Schiebt ab! Für immer!
Nach dem Stillen Ozean!
    JÖRG-LUKAS   Adieu, Papi! Adieu!
    [43]  Die Oberschwester führt die bestürzte und
weinende Familie nach rechts hinaus. Möbius schreit ihnen hemmungslos nach.
    MÖBIUS   Ich will euch nie mehr
sehen! Ihr habt den König Salomo beleidigt! Ihr sollt verflucht sein! Ihr sollt
mit den ganzen Marianen im Marianengraben versaufen! Elftausend Meter tief. Im
schwärzesten Loch des Meeres sollt ihr verfaulen, von Gott vergessen und den
Menschen!
    SCHWESTER MONIKA   Wir sind
allein. Ihre Familie hört Sie nicht mehr.
    Möbius starrt Schwester Monika verwundert an,
scheint sich endlich zu finden.
    MÖBIUS   Ach so, natürlich.
    Schwester Monika schweigt. Er ist etwas verlegen.
    MÖBIUS   Ich war wohl etwas
heftig?
    SCHWESTER MONIKA   Ziemlich.
    MÖBIUS   Ich mußte die Wahrheit
sagen.
    SCHWESTER MONIKA   Offenbar.
    MÖBIUS   Ich regte mich auf.
    SCHWESTER MONIKA   Sie verstellten
sich.
    MÖBIUS   Sie durchschauen mich?
    SCHWESTER MONIKA   Ich pflege Sie
nun zwei Jahre.
    MÖBIUS geht
auf und ab, bleibt dann stehen   Gut. Ich gebe es zu. Ich spielte den
Wahnsinnigen.
    SCHWESTER MONIKA   Weshalb?
    MÖBIUS   Um von meiner Frau
Abschied zu nehmen und von meinen Buben. Abschied für immer.
    [44]  SCHWESTER MONIKA   Auf diese
schreckliche Weise?
    MÖBIUS   Auf diese humane Weise.
Die Vergangenheit löscht man am besten mit einem wahnsinnigen Betragen aus,
wenn man sich schon im Irrenhaus befindet: Meine Familie kann mich nun mit
gutem Gewissen vergessen. Mein Auftritt hat ihr die Lust genommen, mich noch
einmal aufzusuchen. Die Folgen meinerseits sind unwichtig, nur das Leben
außerhalb der Anstalt zählt. Verrücktsein kostet. Fünfzehn Jahre zahlte meine
gute Lina bestialische Summen, ein Schlußstrich mußte endlich gezogen werden.
Der Augenblick war günstig. Salomo hat mir offenbart, was zu offenbaren war,
das System aller möglichen Erfindungen ist abgeschlossen, die letzten Seiten
sind diktiert, und meine Frau hat einen neuen Gatten gefunden, den kreuzbraven
Missionar Rose, Sie dürfen beruhigt sein, Schwester Monika. Es ist nun alles in
Ordnung. Er will abgehen.
    SCHWESTER MONIKA   Sie handeln
planmäßig.
    MÖBIUS   Ich bin Physiker. Er wendet sich seinem Zimmer zu.
    SCHWESTER MONIKA   Herr
Möbius.
    MÖBIUS bleibt
stehen   Schwester Monika?
    SCHWESTER MONIKA   Ich habe mit
Ihnen zu reden.
    MÖBIUS   Bitte.
    SCHWESTER MONIKA   Es geht um uns
beide.
    MÖBIUS Nehmen wir
Platz.
    Sie setzen sich. Sie aufs Sofa, er auf den Sessel
links davon.
    SCHWESTER MONIKA   Auch wir müssen
voneinander Abschied nehmen. Auch für immer.
    MÖBIUS erschrickt   Sie verlassen mich?
    [45]  SCHWESTER MONIKA   Befehl.
    MÖBIUS   Was ist geschehen?
    SCHWESTER MONIKA   Man versetzt
mich ins Hauptgebäude. Morgen übernehmen hier

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