Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
eigentlich so viel wie verborgen, untergeschoben. Man meint damit, dass diese so genannten Evangelien unecht sind, also später hinzugefügt wurden, verstehen Sie?«
Hellinger nickte wieder.
»Und diese Schriftrolle, die wir da geöffnet haben, war auch so ein apok ... also unechtes Evangelium?«
»Ja. Nach allem, was wir entziffern konnten, handelt es sich um das so genannte Petrusevangelium.«
»Aber Petrus, ich meine, der war doch einer seiner Haupt... – äh, Hauptanhänger, oder?«
»Anhänger? Äh ... ja, Sie meinen vermutlich Jünger oder Apostel. Sie haben Recht, er ist eine der wichtigsten Personen des Neuen Testaments, aber er hat kein Evangelium hinterlassen, jedenfalls keins, das die Kirche als echt anerkannt hätte. Stattdessen dürfen wir vermutlich das Markusevangelium als von Petrus entworfen ansehen, denn Markus gilt als sein treuer Begleiter, Sekretär und Dolmetscher. Aber wie auch immer, werfen Sie doch mal einen Blick in dieses Buch.«
Er griff nach einem alten Buch auf seinem Schreibtisch und reichte es herüber.
Neutestamentliche Apokryphen von Edgar Henneke. Es handelte sich um einen antiquarischen Wälzer aus dem Jahre 1904. Schönes altes Ding. Vorsichtig, als ob auch dieses Buch unter seinen Händen zerfallen könnte, begann Hellinger zu blättern.
»Seite 27!«
Und so las Hellinger zum ersten Mal einen alten Bericht aus dem apokryphen Petrusevangelium.
Von den Juden aber wusch sich keiner die Hände, auch Herodes nicht und kein Einziger von seinen Richtern. Und da sie sich nicht waschen wollten, stand Pilatus auf, und da befiehlt der König Herodes, den Herrn zu ergreifen, indem er zu ihnen sprach: »Alles, was ich euch befohlen habe an ihm zu tun, das tut.« Es stand aber daselbst Joseph, der Freund des Pilatus und des Herrn, und da er erfuhr, dass sie ihn kreuzigen wollten, kam er zu Pilatus und batum den Leib des Herrn zur Bestattung. Und Pilatus schickte zu Herodes und bat um seinen Leib.
Und Herodes sprach: »Bruder Pilatus, wenn auch keiner ihn gefordert hätte, hätten wir ihn selbst begraben, da ja auch der Sabbat anbricht; denn es steht geschrieben im Gesetz, die Sonne dürfe nicht aufgehen über einem Getöteten ...«
Vorsichtig legte Hellinger das Buch zurück und blickte Wiegand nachdenklich an.
»Das stand auf der Schriftrolle?«
Wiegand nickte. »Wir sind ziemlich sicher.«
»Wir?«
»Dr. Krings vom archäologischen Institut der Universität Köln ist ein alter Studienfreund von mir. Sein Spezialgebiet sind zwar eigentlich Münzen, aber bei Schriftrollen kennt er sich auch recht gut aus.«
»Aha«, sagte Hellinger lahm. »Und wie sind Sie darauf gekommen, dass diese Papierschnipsel gerade aus diesem unechten Evangelium stammen?«
»Das war nicht so schwierig«, lächelte Wiegand, »wir haben insgesamt etwa vierzig Wörter entziffern können. Den Rest macht der Computer mit seiner Suchmaschine.«
Im gleichen Augenblick klingelte es. Dr. Wiegand stand auf und kam wenig später mit Conny an der Hand zurück.
»Welch entzückende Überraschung! Bitte nehmen Sie Platz. Ein Glas Wein?«
Conny nickte. Sie war etwas außer Atem und warf Frank ein Kusshändchen zu. In kurzen Worten berichtete Hellinger seiner Freundin von den neuesten Erkenntnissen.
»Was denken Sie, Doktor, wie alt sind die Schriften?«, wandte sie sich an den Gastgeber, während sie sich durch das kurze Haar fuhr.
»Und wie sind sie wohl an die Stelle gekommen, an der wir sie gefunden haben?«, ergänzte Hellinger und prostete seiner Freundin zu.
»Eins nach dem anderen.«
Dr. Wiegand war es von Berufs wegen gewohnt, die Dinge methodisch und in der richtigen Reihenfolge anzugehen. Er standauf, suchte einen Augenblick lang in seinen Bücherregalen und kam dann lächelnd mit zwei Büchern zurück. Stolz legte er sie auf den Schreibtisch.
»Ein guter Lehrer weiß nicht alles, er weiß aber, wo es steht!«
Er füllte die Gläser nach und schaute triumphierend in die Runde.
»Fangen wir mit der Kirche an.«
Er schlug das erste Buch auf, einen Bildband über die romanischen Kirchen Kölns.
»Wie Sie sicher wissen, verfügt Köln über sechzehn romanische Kirchen. St. Pantaleon ist eine davon, und eine der schönsten, wie ich mich bei meinem gestrigen Besuch überzeugen konnte.«
»Sie waren in der Kirche?«, entfuhr es Hellinger.
»Natürlich«, schmunzelte der Lehrer, »ich habe alles gesehen. Eine alte Dame, eine pensionierte Kollegin von mir, war sehr freundlich und hat mir alles
Weitere Kostenlose Bücher