Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
gezeigt: Zuerst die Kirche, dann die Ausgrabungsstätte, Krypta, euer neues Abflussrohr und natürlich den Krater, aus dem die Funde stammen. Warum habt ihr eigentlich das Loch noch nicht geschlossen?«
»Das macht unsere Firma nicht«, erklärte Hellinger. »Dazu braucht man einen Betonmischer, und den haben wir nicht. Ich denke, dass das erst nach den Feiertagen gemacht wird.«
Wiegand nickte.
»Gut, weiter! Also, hier steht, dass die Kirche im 10. Jahrhundert errichtet wurde. Genauer gesagt, gründete Erzbischof Bruno, dessen Gebeine übrigens in der Krypta bestattet sind, im Jahre 957 das Benediktinerkloster St. Pantaleon.«
»Was hat das mit den Schriften zu tun? Die sollen doch viel älter sein, oder?«
»Geduld, mein Freund, Geduld. Vor diesem Kloster hat es an gleicher Stelle eine noch ältere Kirche gegeben, die aber schon verfallen gewesen sein muss, als Bruno die Abtei errichtete. Und diese Vorgängerkirche, die wurde über einem römischen Gutshof vor den Toren des antiken Köln errichtet, so heißt es hier. Haben Sie verstanden?«
Seine Zuhörer nickten atemlos.
»Dieser Gutshof ist übrigens auf allen antiken Karten verzeichnet. Wir dürfen also seine Existenz als gesichert ansehen, und zwarin etwa dem Zeitraum, aus dem die Münze stammt. Sie sehen, es passt alles zusammen.«
»Gut, aber das erklärt noch nicht, wie die Schriften dort hingekommen sind«, warf Conny ein und zwinkerte Hellinger zärtlich zu.
»Nein, natürlich noch nicht. Aber ich bin ja auch noch nicht fertig.«
Mittlerweile hatte sich völlige Dunkelheit über das abendliche Köln gelegt.Wiegand knipste eine weitere Stehlampe an.
»Wir werden jetzt Licht in die Sache bringen«, scherzte er. Genüsslich zündete er seine Pfeife wieder an, die zwischenzeitlich ausgegangen war.
»Also, ich vermute, und ich werde darin von Dr. Krings bestärkt, dass der Besitzer jenes römischen Gutshofes die Schriftrollen wohl in Sicherheit gebracht hat, als das römische Köln von den Franken angegriffen wurde.«
»Von den Franken? Was zum Teufel haben die denn damit zu tun?«
Wiegand nahm gelassen das zweite Buch zur Hand. Es war alt und hatte einen roten Einband.
» Illustrierte Geschichte der Stadt Köln , von 1912«, sagte er, »ein feines Buch. Ein Erbstück von meinem Vater. Conny, seien Sie so nett und schlagen Sie bei dem Lesezeichen auf. Lesen Sie bitte den markierten Absatz auf Seite 16.«
Neugierig nahm die junge Frau das Buch entgegen. Bücher waren ihr vertraut, sie arbeitete in der Personalabteilung eines bekannten Kölner Verlagshauses.
»Die Wiedergewinnung der Stadt durch Konstantin war aber nur vorübergehend; schon Julian der Abtrünnige musste als Cäsar im Jahre 356 Köln den fränkischen Horden wieder entreißen, welche die Ermordung des fränkischen Kaisers Silvanus durch einen Plünderungszug gerächt hatten. Bald mehrten sich die Einfälle und Angriffe germanischer Völkerschaften, und schließlich nahmen die Franken Köln in dauernden Besitz.«
»Danke. Jetzt wissen Sie, was die Franken damit zu tun hatten. Stellen Sie sich also vor, dass die Franken auf ihrem Rachefeldzugüber den Rhein kamen und in Richtung Colonia marschierten. Natürlich kamen sie dabei zwangsläufig auch an jenem Gutshof vorbei. Die Menschen, die dort wohnten, wussten, was ihnen blühen würde. Was würden Sie als Gutsbesitzer mit dem Hab und Gut tun, das Ihnen besonders am Herzen liegt, um es vor Plünderung und Vernichtung zu schützen?«
»Verstecken«, sagten Hellinger und seine Freundin in einem Atemzug.
»Natürlich, verstecken. Und wo versteckt man sie am besten?«
»Keine Ahnung«, räumte Hellinger ein, »vielleicht irgendwo vergraben?«
»Vergraben ist nicht schlecht. Die Gutsbesitzer hatten alle Tonamphoren, die eingegraben im Hof oder Keller zur sicheren Aufbewahrung von Getreide, Wein oder Früchten dienten. Die Tonscherben, die Sie bei den Schachtarbeiten gefunden haben, lassen darauf schließen, dass er sie in solchen Amphoren versteckt hat.«
Er machte eine kurze Pause und sog hastig an der Pfeife, die wieder auszugehen drohte.
»Der erste Angriff der Franken erfolgte im Winter des Jahres 355 nach Christus. Einige Gefäße dürften also leer gewesen sein, weil die Vorräte zum Teil bereits verbraucht waren. Was lag näher, als diese Schriften dort zu verbergen? Sie liegen eingegraben im Boden, man tarnt sie noch ein wenig, und schon sind sie in Sicherheit. Sicher haben die Menschen, die dort wohnten, gehofft, sie
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