Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
glorreichen Siege von Cäsar und Pompeius hatten die Moral verdorben, wir hatten das Verlieren verlernt. Dann die lange Zeit des Friedens unter Augustus, die in allen Teilen des Reiches herrschte! Die Kriege, die an den Außengrenzen des Imperiums zu führen waren, verliefen allesamt erfolgreich. So war das Gefühl gänzlich abhanden gekommen, dass wir Römer schmerzliche Niederlagen erleiden könnten.
Fehlenden Mut warf mein Vater mir und meinen Kameraden vor, schlechte Taktik des Befehlshabers, Naivität und Dummheit. Auf meinen Einwand, man habe mit der Tücke der Germanen nicht rechnen können, lachte er nur geringschätzig. Man müsse mit allem rechnen, wofür habe man Kundschafter und Spähtrupps, wenn sie Gefahren nicht rechtzeitig erkannten. Und die Germanen seien doch schon immer für ihre Tücke bekannt gewesen. Als er schließlich den Tod unseres Befehlshabers als feige Tat schmähte, brach ich die unselige Diskussion ab und flüchtete in eine kleine Caupona in der Nähe desCircus Maximus, wo ich mich sinnlos betrank. Vergessen suchte ich danach in den Armen einer billigen Hure, allein, ich fand es nicht!
Am nächsten Morgen fand ich mich zur dritten Stunde am Palatium ein. Ich erkannte die kaiserlichen Gemächer kaum wieder. Eine rege Bautätigkeit hatte in den letzten Jahren alles vergrößert. Wo vorher römische Schlichtheit geherrscht hatte, bot sich jetzt orientalische Prachtentfaltung meinen entsetzten Augen. Goldener Stuck auf weißem Marmor, griechische Plastiken von unschätzbarem Wert auf den Gängen, bunte Gemälde mit heroischen Motiven auf den Wänden. Der Princeps oder, wie ich heute besser weiß, seine Berater, sie hatten keine Kosten gescheut, während ich und meine Kameraden unser Blut auf dem Boden der barbarischen Wälder dargeboten hatten. Und doch schien es mir eine würdige Behausung für den mächtigsten Mann des Erdkreises.
Die Räume waren von hektischer Betriebsamkeit erfüllt. Sklaven und niedere Beamte hetzten durch die langen Gänge, wichtige Schriftstücke mit ebensolcher Miene vor sich hertragend. An den Eingängen standen Prätorianer in ihren glänzenden Rüstungen und musterten jeden Ankömmling mit überheblicher Miene. Der Rang eines Militärtribunen schien ihnen jedenfalls keine besondere Achtung abzunötigen, so vermessen sahen sie auf mich herab.
Ich vermisste die treue germanische Leibgarde des Kaisers. Erst viel später erfuhr ich, dass Augustus sie unmittelbar nach der schlimmen Nachricht aufgelöst und auf alle möglichen Truppen verteilt hatte. So büßten die Treuen für die Tücke ihrer Stammesbrüder.
Ein hochmütiger Freigelassener befahl mir zu warten. Endlos erschien mir die Zeit, bis ich endlich in einen schmucklosen, kalten Raum geführt wurde. An den beiden Seitentischen saßen je ein Schreiber, an dem langen Tisch in der Mitte des Raumes sah ich mich einem Gremium von drei Männern gegenüber, dem Präfekten der Prätorianergarde, Lucius Aelius Seianus, dem Consul Quintus Sulpicius Camerinus und – niemand anderem als Tiberius Nero Cäsar, dem Adoptivsohn und designierten Nachfolger des Princeps! Mich durchfuhr ein eisiger Schreck.
X.
Hellinger hatte in Windeseile geduscht, schnell noch etwas von dem Bohnenauflauf heruntergeschlungen, den Conny einen Tag vorher zubereitet hatte, und war in Jeans und seinen Lieblingspullover geschlüpft. Er war schon auf dem Weg, machte dann aber noch einmal kurz kehrt, um eine kleine weiße Karte aus seiner Arbeitshose zu fischen. Sekunden später klingelte er bei seinem Nachbarn.
»Ah, Frank, kommen Sie herein. Ich habe Sie schon erwartet. Was gibt’s Neues?«
Wiegand führte ihn in sein gemütliches Arbeitszimmer und bot ihm einen Platz in einem tiefen, weichen Ledersessel an. Der Hausherr selbst setzte sich an seinen riesigen Eichenschreibtisch. Nur eine kleine Schreibtischlampe spendete ein sparsames, aber warmes Licht. Während der aromatische Duft von Wiegands Pfeife sich in dem Raum ausbreitete, berichtete Hellinger in kurzen Worten von den beiden Telefongesprächen.
Wiegand machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich hatte so etwas befürchtet. Und das ist erst der Anfang. Aber versprechen Sie mir, nichts zu unternehmen, ohne sich mit mir abzustimmen.«
Hellinger versprach es.
»Ein Glas Wein?«
Hellinger schüttelte den Kopf. »Lieber ein Glas Wasser. Habe eben ein teuflisch scharfes Gulasch gegessen.«
»Gerne, ich bevorzuge Wein, wie die Römer es taten.« Er lächelte.
Während der
Weitere Kostenlose Bücher