Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
die Plane verhinderte jeden weiteren Einblick. Schade!
»Und was ist das?« Wiegand wies auf eine vergitterte Tür, hinter der Fundamente und Tonsäulen zu erkennen waren.
»Unter den Fundamenten der Kirche hat man die Reste eines römischen Gutshofes gefunden, wohl um das dritte bis vierte Jahrhundert nach Christus. Bei diesen Resten handelt es sich um die ehemalige Heizungsanlage.«
Wiegand wies auf den Krater. »Dann dürfte dort wohl der Vorratskeller des Gutshofes gelegen haben?«
Anita Valani nickte. »Gut möglich.«
Wiegand sah auf seine Uhr. Zeit. Er hatte noch einiges vorzubereiten vor dem Gespräch mit Hellinger. Überhaupt hatte er erst einmal genug gesehen. Herzlich dankte er seiner Führerin und verabschiedete sich. Beim Verlassen der Kirche nickte er der alten Ordensschwester freundlich zu, die ihn wieder so liebevoll anblickte, als sei er ein alter Vertrauter. Der Mönch hingegen war verschwunden.
IX.
Rom! Ewiges Rom! Goldenes Rom!
Wie hatte ich die Hauptstadt des Imperiums vermisst, während ich durch die regenfeuchten Wälder Germaniens marschiert war – die Pracht seines Forums, die Schönheit der öffentlichen Gebäude, die Würde der Tempel, die sprudelnden Brunnen, die herrschaftlichen Villen. Ich hatte die breiten Straßen des Argiletums nicht weniger vermisst als die schmucklosen Kolonnaden der engen Insulae, und selbst den Schmutz und Lärm der Subura sog ich ein wie ein Verdurstender. Alles hier erfüllte mich mit Stolz und Freude. Ich, der ich an die Schweigsamkeit der barbarischen Wälder gewohnt war, genoss die nichtige Geschwätzigkeit der Menschen, das bunte Gewirr von Fremden aus dem ganzen Imperium, die das Forum bevölkerten.
Sogar das Geschrei der Markthändler und das zeternde Handeln der Sklaven klang wie Musik in meinen gemarterten Ohren, in denen noch die Todesschreie meiner gequälten Kameraden nachklangen. Langbärtige Skythen, dunkelfarbige Äthiopier, sonnenverbrannte Lydier, stolze Thraker und blassblütige Britannier, Griechen und Gallier, fremd anzusehen und mit noch fremderen Lauten schwatzend, sie alle bevölkerten in buntem Gemisch das Forum und bildeten prächtige Farbtupfer im öden Grau und Weiß der römischen Tuniken oder Togen.
Etwa an den Iden des November erreichte unser trauriger Zug Rom. In den Straßen der Hauptstadt summte es wie in einem Bienenschwarm. Die Menschen standen aufgeregt gestikulierend zusammen und schwatzten. Gerade noch war die Nachricht vom glanzvollen Sieg des Tiberius im fernen Pannonien eingetroffen, man schickte sich schon an, die Vorbereitungen für seinen Triumphzug zu treffen, da musste die furchtbare Meldung von unserer Niederlage in den germanischen Wäldern eingetroffen sein. Sie traf die Menschen wohl wie ein Keulenschlag, unvermutet und eiskalt. Bei einigen schien sich gar Angst und Ratlosigkeit breit zu machen. Auf einmal tauchte eine Erzählung aus längst vergangenen Tagen auf, vom Zug der Cimbern und Teutonen, die diese Stadt schon einmal in Schrecken versetzt hatte. Aber wer könnte jetzt wie einst Marius den barbarischen Horden aus dem Norden Einhalt gebieten?
Diese Frage hörte ich mehrfach, während wir unerkannt durch die Straßen schlenderten. Bei den Göttern, wie hätten sie wohl reagiert, die braven Bürger Roms, wenn sie gewusst hätten, dass diese armen Gestalten in ausgeliehenen Uniformen Überlebende jenes Gemetzels waren?
Auf dem Palatium empfing man uns, wie es dem schmachvollen Verlierer zusteht. Eine eisige Mauer feindseligen Schweigens trat uns entgegen, als wir uns in der Schreibstube meldeten. Selbst die niedrigsten Schreiber und Sklaven verzogen hochnäsig und angewidert ihre Nasen, als wir uns zu erkennen gaben und Meldung machten. Für den nächsten Morgen wurden wir zur ausführlichen Berichterstattung einbestellt, jeder zu verschiedener Zeit. Dann trennte sich unsere traurige Gemeinschaft.
Mein zweiter Weg führte mich ins elterliche Haus auf dem Quirinalis. Doch hatte ich auf Trost, Verständnis oder gar väterliche Liebe gehofft, sah ich mich bitter enttäuscht. Auch dort wurde ich sehr kühl begrüßt, und statt Freude empfing mich Verachtung. Mein Vater war an militärische Niederlagen so wenig gewöhnt wie wir Römer insgesamt.
Das Blutbad in Cannae, die Niederlage gegen Mithridates, die Katastrophe des Crassus in Parthien und auch das Desaster im Sklavenkrieg gegen Spartacus, das alles schien Urzeiten her zu sein und war längst stillem Vergessen anheim gefallen. Die
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