Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
und winkte ab.
»Nein wirklich, Doktor, kein Stück mehr. Aber ein ... ein Kölsch würde ich gerne noch trinken.«
Wiegand lächelte verständnisvoll und reichte ihm eine Flasche.
»Und was ist mit Ihnen, Conny?«
Er machte Anstalten, eine weitere Pizzascheibe auf ihren Teller zu laden.
Doch Conny Baumeister lehnte dankend ab. Die Farbe ihres erhitzten Gesichtes hatte sich mittlerweile dem Rot ihrer Haare genähert. Sie griff hastig nach dem Wasserglas, um den empörten Gaumen zu beruhigen.
»Dann werde ich sie mir eben morgen noch einmal warm machen«, meinte Wiegand und brachte pfeifend die Reste der Mahlzeit in die Küche.
Conny wischte ihren Mund mit einer Serviette ab. »Puh! Teuflisch scharf, oder?«
Hellinger nickte nur und leerte sein Kölschglas in einem Zug.
Sehr zum Unwillen der jungen Frau durchzogen wenig später die unheiligen Schwaden einer Zigarette und die wesentlich würzigeren einer Pfeife das Wohnzimmer des Pensionärs.
»Haben Sie über meine Worte nachgedacht, Frank?«, begann er das Gespräch.
Hellinger schüttelte den Kopf. »Ich werde sie nicht herausgeben. Das müssen Sie doch verstehen. Und mein Kollege Heinen würde es auch nicht verstehen, der hat einen Verkauf schon längst eingeplant. Braucht ’nen neuen Wagen.«
»Ich verstehe Sie beide gut. Aber die Telefonanrufe und der Besuch des Kaplans haben mich doch sehr nachdenklich gemacht. Außerdem ist noch völlig unklar, was die beiden anderenRollen enthalten und ob man sie überhaupt wird lesen können.«
»Warum sind sie eigentlich auf Griechisch geschrieben?«, unterbrach ihn Conny. »Sollte man nicht denken, dass sich im Gutshof eines Römers lateinische Bücher befinden?«
»Im Prinzip haben Sie völlig Recht, Conny, aber schauen Sie: Die Evangelien, und das gilt für echte wie für unechte gleichermaßen, lagen damals nur in hebräischer oder griechischer Schrift vor. Die Evangelisten haben sie in dieser Schrift verfasst, weil sie Juden oder Griechen waren, und die Kopisten haben die Schrift natürlich übernommen. Erst um 400 nach Christus hat der Kirchenvater Hieronymus die Texte in die lateinische Sprache übersetzt, die so genannte Vulgata.«
Hellinger nickte voller Verständnis.
»Und glauben Sie, dass Ihr Freund von der Uni die Texte retten kann?«
»Dr. Krings? Soweit ich weiß, hat er sachkundige Hilfe vom Römisch-Germanischen Museum zurate gezogen. Aber ich fürchte, jetzt, kurz vor den Feiertagen, wird sich nichts machen lassen. Wir werden Geduld haben müssen.«
Hellinger blickte versonnen auf die Paprikareste auf seinem Teller.
»Könnte man nicht ...?«
Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon.
***
Die Universität zu Köln lag in nächtlicher Ruhe. Eingebettet in das sie umgebende Grün, das sie vom Lärm und Trubel der Großstadt abschottete, machte sie einen verwaisten, von Gott und der Lehre verlassenen Eindruck. Leer und verwaist auch die Gänge, Hörsäle und Institute. Keine Studenten, die hastig die Gänge entlangeilten oder geschwätzig in den Nischen saßen, kein Professor, der mit wichtiger Miene zum Hörsaal strebte, aber auch kein Nachtwächter, der mit aufmerksamem Blick über die leerenGebäude wachte. Hier gab es doch nichts, das des Schutzes bedurfte. Wirklich nichts?
Das Archäologische Institut war in einem älteren Nebengebäude aus der Vorkriegszeit untergebracht und machte einen fast ebenso verlassenen Eindruck wie das Hauptgebäude. Aber eben nur fast!
In einem Raum im ersten Stock brannte eine einsame Lampe und spendete dem Mann ein karges Licht, der da konzentriert über seinen Schriften hockte. Professor Eugen Kohlbruch nutzte die vorlesungsfreie Zeit, um an seinem Buch über »Mithras-Heiligtümer im frührömischen Germanien« zu arbeiten. Ein typischer Gelehrter von schmaler, zerbrechlicher Gestalt und feinen, wissenden Zügen. Die wenigen weißen Haare trug er wie einen Lorbeerkranz, das schmale Gesicht mit der vorspringenden Nase – viele seiner Kollegen wollten schon immer eine markante Ähnlichkeit zu Julius Cäsar festgestellt haben, dem großen römischen Imperator. Er lächelte dann nur, wenn sie ihn darauf ansprachen, und pflegte in seiner hellen, sächselnden Tonlage zu sagen: »Sollte mir als Gelehrtem ähnlicher Erfolg beschieden sein wie dem großen Imperator, so müssten mich die Götter glücklich preisen!«
Spätestens nach diesem für seine Verhältnisse langen Satz wandte er sich wieder seiner Arbeit zu und vergaß alles, was um ihn herum
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