Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Weihnacht. Ich muss los!«
***
Auch im fernen Rom waren die Vorbereitungen für das zweithöchste Fest der Christenheit in die entscheidende Phase getreten. Aber Kardinal Sarrafini stand der Sinn nicht danach. Mit hochrotem Kopf griff er nach dem Telefon und hatte wenig später seinen Adlatus am Hörer.
»Boris, bist du von allen guten Geistern verlassen?! Ich habe eben von dem Mord in der Universität in Köln gehört. Ich hatte doch gesagt, keine Gewalt, Boris, keine Gewalt. Und jetzt ist ein Mann tot!«
Schweigen.
»Eminenza, gütige Eminenza. Das war ich doch nicht! Ich habe nicht ... ich würde nie ...!«
»Du warst das nicht, Boris?«
Der Kardinal lehnte sich entspannt zurück, seine Miene drückte Erleichterung aus.
»Gut, gut, mein Freund. Aber Boris, was ist da los?«
Boris atmete schwer durch. »Eminenza, bitte glauben Sie mir, hinter den Schriftrollen sind noch weitere Leute her.«
»Noch weitere? Gütiger Himmel, wer denn?«
Die Stimme des Kardinals klang jetzt sanft und weich, und Boris, den der Anruf in seinem kleinen Pensionszimmer erwischt hatte, lehnte sich erleichtert zurück.
»Also, Eminenza, das ist so. Zum einen ist die Kirche hier hinter den Rollen her. Ein gewisser Kaplan Wagenbach treibt sich herum und stellt Fragen im Auftrag des hiesigen Kardinals.«
»Des hiesigen Kardinals? Ach ja, der. Ich weiß schon. Und wer noch?«
»Dann gibt es hier einen sehr reichen Mann, der sammelt wohl solche Dinge. Der hat auch einen Mann beauftragt, und der hat den Professore in der Universität erledigt.«
»Wie heißt dieser Sammler, und wen hat er beauftragt?«
Boris nannte den Namen des Sammlers, den Namen des Helfers kannte er nicht.
»Hm ... gut, behalt ihn im Auge. Hat dieser ... äh ... Sammler jetzt die Rollen?«
»Ich denke, er wird bestimmt welche haben. Dieser Typ hat sie besorgt, aber ich habe keine Ahnung, wie und von wem!«
»Gut, weiter!«
»Aber es gibt noch mehr Rollen, wie ich der gütigen Eminenza schon gesagt habe. Ich habe gestern versucht, sie mir zu holen, aber das Weibsstück war nicht da!«
»Weibsstück?«
»Die Freundin von dem einen, der die Rollen gefunden hat. Ich war bei ihr in der Wohnung, aber sie war schon weg. Und mit ihr die Rollen!«
Kardinal Sarrafini war nicht ganz sicher, ob er das alles richtig verstand. Einiges ging doch durcheinander. Ob Boris der Richtige war, dieses Problem zu lösen? Zweifel waren angebracht, aber im Augenblick hatte er keine andere Wahl.
»Also, Boris, hör gut zu. Zuerst holst du dir die Rollen von diesem Sammler, ja? Aber keine Gewalt, es muss anders gehen. Und dann bleibst du an den anderen Rollen und an diesem Mädchen dran. Lass dir was einfallen.«
Kurze Pause.
»Ach, und noch etwas, mein lieber Boris: Frohe Weihnacht!«
Boris schluckte, Tränen standen in den Augen des harten Mannes. »Danke, Eminenza. Sie sind zu gütig!«
Aber Eminenza hatte bereits aufgelegt.
XXVII.
Es war schon unter meinen Vorgängern üblich gewesen, die Truppen von Cäsarea zu Beginn des Winters ins Winterlager nach Jerusalem zu führen und gegen die dortigen Truppen auszutauschen. Dies brachte für beide Truppenteile eine Abwechslung in den monotonen Dienst und gab mir die Möglichkeit, mich von der Einsatzfähigkeit des jeweils anderen Truppenteils zu überzeugen.
Am Abend vor dem Aufbruch bat mich Cornelius, der die Truppen begleiten sollte, um ein Gespräch. Wir genossen den kühlen Abendwind auf der Terrasse und dazu einen kleinen Imbiss, während Cornelius mit sorgenvoller Miene das Gespräch aufnahm. »Ich weiß, lieber Freund, dass du für meine Ratschläge immer offen warst, und so zögere ich auch jetzt nicht, dir einen solchen zu erteilen.«
Seine Förmlichkeit erstaunte mich, aber schon fuhr er fort: »Es geht um die Legionsstandarten!«
Ich muss ein ziemlich verdutztes Gesicht gemacht haben. »Um die Standarten? Bei Mars, was ist falsch mit ihnen? Tragen wir sie nicht schon seit den Zeiten des Marius mit uns?«
Cornelius zögerte einen Augenblick.
»Die Juden dulden es nicht, dass man solche Standarten in ihre heilige Stadt bringt, weil sie mit menschlichen Abbildern geschmückt sind.«
Ich hätte mich fast an dem sauren Landwein verschluckt, den ich eh kaum über die Lippen brachte. »Sie dulden es nicht?«
Meine Stimme wurde lauter: »Was soll das heißen? Seit wann macht es ein römischer Präfekt von der Laune der Provinzbewohner abhängig, welche Legionszeichen er durch ihre Länder trägt? Und wie kommen
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