Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Seianus’ war. Ohne Zweifel ein unterhaltsamer und gebildeter Mensch, wenn auch von einiger Arroganz.
Weitere Reisen führten uns nach Antiochia zu Pacuvius, dem Vertreter des immer noch abwesenden Statthalters Aelius Lama. Pacuvius zeigte sich als lebensfroher Anhänger Epicurs und schenkte uns wahrhaft angenehme, abwechslungsreiche Tage in Theater und Circus. Sogar mit Kaiaphas, dem jüdischen Oberpriester und Vorsitzenden des Sanhedrins, verband mich inzwischen zwar keine Freundschaft, aber eine respektvolle Beziehung, war ich doch auch derjenige, der seine Bestallung alljährlich zu verlängern hatte.
Aus Rom erhielt ich wie verabredet regelmäßig Briefe meines treuen Verwalters, der mir nicht nur die regelmäßigen Abrechnungen über dieGutsverwaltung vorlegte, sondern mich auch über die neuesten Entwicklungen in der Hauptstadt aufklärte. So erfuhr ich auch, dass Kaiser Tiberius, seit er sich nach Capri zurückgezogen hatte, Rom nicht mehr betreten und die Stellung meines Gönners Seianus sich derart gefestigt hatte, dass ihm fast uneingeschränkte Machtbefugnisse zukamen. Ja, man feierte in Rom inzwischen sogar öffentlich seine Geburtstage und verehrte goldene Statuen von ihm, die auf dem Forum aufgestellt waren. Das erschien mir recht ungewöhnlich, freute mich aber, denn in gleichem Maße musste sich meine Stellung hier in der Provinz festigen.
Auch erhielt ich mehrfach Briefe von Seianus, in denen er mich für meine gelungene Verwaltung belobigte und mich zu hartem Durchgreifen gegen die Juden im Falle der Unbotmäßigkeit ermunterte. Ich war für diesen Rat dankbar und folgte ihm stets gerne, war ich doch der festen Überzeugung, dass man nur so diese schwierige Provinz regieren könne.
Unter dem Protektorat dieses großen Mannes fühlte ich mich vor allen Nachstellungen sicher, denen die Provinzpräfekten aus Neid oder anderen niederen Beweggründen so oft ausgesetzt waren. Außerdem durfte ich mir berechtigte Hoffnung auf baldige Ablösung und Beförderung nach Rom machen.
Doch Fortuna ist launisch, und wen sie heute begünstigt, den mag sie morgen ins Verderben stürzen. Trotzdem fürchtete ich in meiner Blindheit ihre Launen nicht. Ich fürchtete sie nicht, bis ... bis zu jenem Tag, der mein Leben tatsächlich verändern sollte, und nicht nur meins!
XXVIII.
Dr. Wiegand hatte sein Wohnzimmer immerhin ansatzweise weihnachtlich geschmückt. Mit prüfendem Blick ging er um den Tannenbaum herum, richtete da eine Kerze, dort eine Kugel und war schließlich mit seinem Werk zufrieden. Voller Ungeduld betrachteten Hellinger und seine Freundin das Werk.
»Was is nu’, Doktor? Wie soll ich mich verhalten, wenn der Express-Mann kommt?« Missmutig griff er nach dem Weinglasund trank in offenkundiger Verzweiflung den guten Burgunder wie Wasser. Wiegand warf ihm einen ungehaltenen Blick zu, der nicht nur dieser barbarischen Trinkweise galt.
»Also, lieber Frank, in diesen Mist haben Sie sich ganz und gar allein geritten. Meine Meinung kennen Sie. Aber wenn Sie die schon nicht interessiert ..., sagen Sie diesem, wie heißt er ...?
»Lejeune.«
»... also diesem Lejeune kein Wort. Sie werden sonst alles in den nächsten Tagen in der Zeitung wiederfinden. Wahrscheinlich machen die einen Sechsteiler daraus, so unter der Überschrift: Das Geheimnis der Schriftrollen von Köln oder Qumran war gestern – das Evangelium von St. Pantaleon. «
Conny lachte hell auf. »Sie sollten auf Ihre alten Tage zur Presse gehen. Sind gut, Ihre Überschriften. Aber im Ernst, wie sollen wir uns verhalten? Einstweilen habe ich die Rollen gut versteckt, zwei im Wäscheschrank im Schlafzimmer von Frau Diederichs, eine im Kühlschrank und eine im Toilettenschrank zwischen dem Klopapier, jede in einer Plastiktüte.«
»Tolle Verstecke, Kleines, da würde jeder Einbrecher zuerst suchen«, maulte Hellinger. »Kein Einbrecher würde bei Diederichs überhaupt wertvolle Schriftrollen vermuten, kleiner Dummkopf.«
Sie gab Hellinger einen zärtlichen Kuss und legte den Arm um ihn. Erwartungsvoll blickten beide Wiegand an. Der stopfte zuerst die unvermeidliche Pfeife, was bei Conny einen mittleren Hustenanfall auslöste, dann setzte er sich ihnen gegenüber.
»Was Sie berichtet haben, ist alarmierend, Frank. Dieser Journalist hat erstaunlich gut recherchiert. Da muss man erst mal drauf kommen, dass Thomas und ich im Vorstand des Schachclubs sind. Den Rest hat er sich zusammengereimt, talentierter Bursche.«
Wiegand lehnte sich
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