Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
verlief ruhig und ohne weitere Zwischenfälle – bis zu jenem Tag, an dem Fortuna beschloss, mein Schicksal wieder in ihre Hand zu nehmen und nach Laune damit herumzuspielen.
Cornelius bat mich nämlich um ein Gespräch. Wir hatten uns in letzter Zeit wenig gesehen, weil er in meinem Auftrag ständig unterwegs war (meist in Zivil), um sich im Land umzuhören und mir jedes aufkeimende Problem zu melden. Ich hatte aus der Schilderaffäre gelernt! Doch Cornelius hatte sich verändert; seine humorvolle Art war einem würdigen Ernst gewichen, und wir, die Freunde aus heiterer Jugendzeit, wir lachten nur noch selten. Irgendwie hatte das fremde Land einen anderen Mann aus ihm gemacht. Er sprach inzwischen sogar leidlich die Sprache der Juden, hatte sich einen Vollbart wachsen lassen (was ihm den Spott seiner Kameraden eintrug), und ein Fremder hätte wohl Schwierigkeiten gehabt, ihn von einem syrischen Kameltreiber zu unterscheiden.
»Ich bin da auf einen merkwürdigen Mann gestoßen, Präfekt.« Er hatte sich aus unerfindlichen Gründen angewöhnt, mich bei dienstlichen Gesprächen mit meinem Titel anzureden, was ich ihm nicht abgewöhnen konnte.
»Erzähle, mein Freund, aber vorher stärke dich!«
Ich goss ihm einen kräftigen Schluck einheimischen Weins ein, vermischte ihn mit Wasser, damit er nicht zu sauer schmeckte, und deutete auf eine Schale mit Obst und Gebäck. Cornelius nippte nur kurz an dem Wein, verzog leicht den Mund und kam sofort zur Sache.
»Der Mann heißt Johannes und stammt, soweit ich weiß, aus einem uralten jüdischen Priestergeschlecht, das bis zu den Wurzeln dieses Volkes zurückgeht.«
Er machte eine kurze Pause, als ob das schon etwas wäre, was mich beeindrucken könnte.
»Weiter!«, sagte ich ungeduldig.
»Ein Mann in einer härenen Kutte aus Kamelfell, bärtig und langhaarig. Lebt von Heuschrecken und wildem Honig und achtet der Dinge, die wir unter Zivilisation verstehen, wenig. Ein Asket, man möchte an Diogenes denken.« Er machte eine weitere Pause und nahm sich etwas von dem Gebäck, an dem er lustlos herumknabberte.
Seine Worte hatten mich neugierig gemacht. Gleichzeitig weckte die Pause meine Ungeduld.
»Diogenes, der korinthische Tonnenmann? Der zynische Schmutzfink?«
Ich musste lächeln, wenn ich an jenen verschrobenen Philosophen dachte, der einen geschenkten Löffel mit der Begründung ablehnte, er habe doch seine Hände. Und als der große Alexander ihn gefragt hatte, was er sich wünsche, hatte er nur gesagt, dass er ihm doch aus der Sonne gehen möge. So ein Sonderling war also auch der bärtige Wüstenmann?
»Diogenes, na gut. Und was weiter? Bei Juno, lieber Freund, was willst du mir sagen? Solche Leute laufen doch hier in Massen herum. Sie stehen an allen Ecken und verkünden den Untergang der Welt und ähnlichen Unsinn.«
Cornelius schüttelte entschieden den Kopf. »Er ist anders, Präfekt, und man muss ihn ernst nehmen. Er ruft die Menschen auf, Buße zu tun und ihr Leben zu ändern. Er versammelt das Volk um sich und predigt. Um ihn herum ist eine ...«, er suchte nach dem richtigen Wort, »eine ... äh ... Aura von Liebe und tiefem Glauben.«
»Aura? Ruft er nicht zur Gewalt auf? Hetzt er gegen uns Römer?«
Cornelius schüttelte entschieden den Kopf.
»Nie hörte ich ein böses Wort von seinen Lippen, Hass scheint ihm fremd zu sein. Und dann ...« Cornelius machte eine kurze Pause und blickte versonnen auf seinen Weinkelch. »Er scheint auf jemanden zu warten. Ja, mehr noch, es macht den Eindruck, dass er jemandem den Weg bereitet.«
Ich blickte den Freund verständnislos an. »Erkläre dich, wie meinst du das?«
»Nun, er ... er räumt Steine und Sträucher aus dem Weg, ebnet kleine Pfade, baut gar Stege über Bäche und vieles mehr.«
»So nimmt er uns und unseren Baulegionären die Arbeit ab«, lachte ich. »Was also ist Besonderes an ihm?«
Cornelius bedachte mich ob meines scherzhaften Einwurfes mit einem wenig freundlichen Blick. »Er taucht die Menschen in das Wasser des Jordan, das nennt er Taufe. Dieses Ritual reinige Körper und Seele und bereite sie vor für die Ankunft des Erlösers!«
»Ein Erlöser?«
Bei diesem Wort tauchte aus dem Nebel der Vergangenheit die dürre Gestalt meines Amtsvorgängers auf. »Hüte dich vor den Juden, und vor allem vor ihrem Messias, den sie Erlöser nennen. Von ihm droht Gefahr – für Rom und für dich!«
Und ich fühlte mich zurückversetzt in die staubtrockene Bibliothek des Asinius Pollio, wo ich
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