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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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nicht dieses alles überwältigende, rauschhafte, schmerzvoll und zugleich süße Sehnen, das der Chevalier in ihr geweckt hatte. Ein Gefühl, das sie unterdrücken musste, denn es würde keine Erfüllung finden.
    Robyn de Trouville hatte eine Mission, und er sah in ihr nur einen Knappen – oder bestenfalls eine Pilgerin, der er half, unbeschadet ans Ziel ihrer Wallfahrt zu gelangen, um dort Abbitte für ihre Sünden zu finden. Aber warum nur war es ihr dann trotzdem nicht möglich, von dem Gedanken und der Hoffnung abzulassen, er könnte doch etwas für sie empfinden?
    Bei dem Gedanken an ihre Sünden kamen ihr Robyns Worte wieder in den Sinn: Ob sie es nicht seltsam fände, dass nur Personen aus dem Umfeld ihres Schwagers der Seuche zum Opfer gefallen wären? Sollte ich vielleicht doch nach Hause zurückkehren und herausfinden, was wirklich an jenem Tag geschehen ist? fragte sie sich. Nein, das machte keinen Sinn, denn es würde nichts an den Tatsachen ändern. An was auch immer Konrad und ihr Sohn gestorben waren, sie waren tot, weil sie ihren Gemahl dazu überredet hatte, sie nach Freiburg zu begleiten.
    Und auch an ihrer sonstigen Situation hatte sich nichts geändert. Nicht mehr länger war sie die Herrin von Eschenbronn, sondern ihrem Schwager ausgeliefert.
    Leonor schlug die Hände vors Gesicht. Welche Zukunft lag vor ihr? Sie besaß kein Heim mehr, in das sie zurückkehren konnte, und dem Mann, nach dem sie sich verzehrte, schien sie gleichgültig zu sein.
    Aber vielleicht suchte er ja nach ihr? Nein, dieser trügerischen Hoffnung durfte sie sich nicht hingeben. Bald würde er in See stechen und für immer aus ihrem Leben entschwinden.
    In diesem Augenblick sprang Tarras auf und lief davon.
    Würde er wiederkommen wie schon mehrmals zuvor, oder hatte ihr einziger Freund und Begleiter sie nun endgültig verlassen?
    Obwohl Robyn den Worten des schmierigen Wirtes nicht wirklich glaubte, erschien es ihm, da er keine anderen Anhaltspunkte hatte, die beste Lösung zu sein, die Straße gen Norden abzureiten und nach Leonor zu suchen. Allzu weit konnte sie noch nicht gekommen sein, und mit Tarras an ihrer Seite wäre sie auch unschwer zu übersehen. Denn dass sie sich auch von ihrem Hund getrennt haben sollte, konnte er sich nicht vorstellen.
    Aber dann kamen ihm Zweifel. Sollte er ihr überhaupt folgen? Musste er ihren Entschluss, ihn zu verlassen, nicht respektieren? Nur was war denn überhaupt der Grund für diesen Entschluss? Sie hatte doch unbedingt mit ihm weiterziehen wollen. War etwas vorgefallen? Er überlegte hin und her, aber es wollte ihm nichts einfallen. Gut, da war eine gewisse Verstimmung während des Spätmahls gewesen. Die konnte sie indes nicht dazu veranlasst haben, sich von ihm zu trennen, ihr Vorhaben, nach Rom zu pilgern, aufzugeben und sich mehr oder weniger auf eigene Faust in die Heimat durchzuschlagen – wo sie nichts Erfreuliches erwartete.
    Nein! Etwas war entschieden faul an der Sache, und er konnte Leonor nicht so einfach ihrem Schicksal überlassen.
    Und so schwang er sich auf Adomar und preschte aus der Stadt hinaus.
    Doch nachdem er mehr denn eine Stunde in schnellem Tempo die Landstraße entlanggeritten war, ohne Leonor und Tarras zu entdecken, hielt er enttäuscht inne. So weit konnte sie unmöglich zu Fuß gekommen sein. Wenn sie und ihr angeblicher Begleiter hingegen beritten waren, konnte er sie sowieso nicht mehr einholen. Dann würde er sie niemals wiedersehen.
    Von Gefühlen übermannt, die er sich nicht erklären konnte, wendete er Adomar und kehrte nach Genua zurück. Er brachte den Hengst in den Stall der Herberge, da er ihm in den engen Gassen der Stadt wenig von Nutzen sein konnte, und machte sich zu Fuß auf die Suche. Kein leichtes Unterfangen, denn die Hafenstadt war kein Dorf.
    Immer wieder erkundigte er sich bei Passanten, ob sie einen schlanken Knappen mit einem riesigen Hund gesehen hätten, erntete jedoch nur Kopfschütteln und Achselzucken.
    Angespannt lief er durch die Gassen. Er war nie zuvor hier gewesen, kannte lediglich den Weg zum Hafen, nach dem er sich gleich nach der Ankunft beim Wirt erkundigt hatte und den er nun wohl unbewusst, nachdem er schon so viele Straßen und Plätze abgesucht hatte, eingeschlagen hatte. Sogar im hiesigen Nonnenkloster hatte er vorgesprochen und bei der Schwester Pförtnerin nach Leonor gefragt, auch wenn es sehr unwahrscheinlich war, dass sie in Männerkleidung und Begleitung ihres Hundes dort Schutz und Unterkunft

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