Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
Vom Netzwerk:
gesucht hatte.
    Was soll ich tun? fragte er sich nun wohl zum hundertsten Mal. Warum hatte sie sich entschieden, ihren „Dienst“ bei ihm aufzugeben? Und was bedeuteten die Worte: „Ich wäre ihm gern mehr zu Diensten gewesen?“
    Hat der Wirt da etwas missverstanden? überlegte Robyn. Und was werde ich tun, wenn ich sie finde? Wie sollte er sich verhalten? Erwartete sie gar etwas Bestimmtes von ihm? Enthielten ihre Worte gar die Botschaft, dass sie etwas für ihn empfand?
    War ein Mann jemals von so vielen Fragen geplagt worden?
    Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als jemand ihn an der Hüfte anstieß. Unwillkürlich zog er sein Schwert, bevor er herumfuhr und es abwehrbereit hob. Wollte jemand ihm die Geldkatze stehlen? Auf seinem Streifzug durch die Gassen hatte er so mancherlei Gesindel gesehen, wie es sich gern in Hafenstädten herumtrieb, um betrunkene Seemänner auszurauben. Gerade noch rechtzeitig konnte er innehalten.
    Ein Hund hatte ihn angestoßen. Ein großer Hund …
    „Tarras!“
    Begeistert wedelte das Tier mit der Rute, lief ein Stück voraus, kehrte wieder zurück, stupste ihn an und sprang vor ihm her.
    „Guter Tarras!“, rief Robyn. „Du wirst mich zu deiner Herrin führen.“
    „Ah, hier bist du, Leon“, stellte Robyn fest, als er den Strand erreichte und sich der schmalen Gestalt näherte, die auf den Kieseln hockte. „Hast du es dir anders überlegt?“ Kaum hatte er die Worte gesagt, bereute er sie auch schon wieder. Warum hatte er sie so harsch angesprochen?
    Erschreckt fuhr Leonor herum, erblickte Tarras, der irgendwie sehr zufrieden mit sich wirkte, und den Ritter, der ihre Gefühle so aufgewühlt und sie nun so kühl und gelassen begrüßt hatte.
    „Ah, Chevalier, da seid Ihr ja. Anscheinend bedürft Ihr weiterhin meiner … Dienste“, erwiderte sie, um einen möglichst beiläufigen Tonfall bemüht.
    Der leichte Seewind wehte Robyn eine Strähne in die Stirn, und Leonor sah zu, wie er sich das Haar, das in der Sonne rötlich braun schimmerte, zurückstrich. Dabei wurde die Wunde sichtbar, die der Marchese ihm mit einem Zacken seines Morgensterns zugefügt hatte. Und um die sie sich nicht hatte kümmern dürfen, weil Trouville sie offensichtlich nicht an sich herankommen lassen wollte.
    In seinen graugrünen Augen lag ein nachdenklicher Ausdruck, als er sie nun ansah, doch sein Ton war weiterhin rau: „Was hast du dir bloß dabei gedacht? Wäre dein Hund nicht gewesen … Was soll ich nur mit dir machen, Leon?“
    Leon! Leon, der Knappe also. Nicht Leonor, die Frau.
    „Wolltest du tatsächlich in deine Heimat zurückkehren?“
    Leonor schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe Euch ja erzählt, was mich dort erwartet. Eigentlich habe ich keine Heimat mehr.“
    Ein Ausdruck unendlicher Traurigkeit stand bei diesen Worten in ihren Augen, und am liebsten hätte Robyn sie in seine Arme gezogen. Doch er verbot sich diese Regung, aus der nichts Gutes hervorgehen konnte. Was hätte er ihr schon zu bieten? Zwar war er der Kurier des Königs, doch in Wirklichkeit nicht mehr als ein fahrender Ritter und ebenso heimatlos wie sie. Und zudem hatte er dem König einen Schwur geleistet.
    „Willst du denn immer noch nach Rom?“
    Leonor nickte. „Ja, dieses Gelübde habe ich getan und werde es erfüllen. Die Wege des Herrn sind wunderbar, und vielleicht wird sich dort abzeichnen, was die Zukunft für mich bereithält.“ Nun, was auch immer auf sie zukommen würde, das Glück eines Lebens an der Seite eines gewissen braunhaarigen Ritters wäre ihr wohl nicht vergönnt.
    „Ich habe eine Schiffspassage nach Ostia gefunden“, berichtete Robyn. „Schon morgen sticht der Kapitän in See.“
    Leonor wandte sich ab und blickte aufs schimmernde Meer hinaus. An ihren Wimpern glitzerten Tränen. „So wünsche ich Euch eine gute Reise, Chevalier“, flüsterte sie erstickt. „Möge Gott Euch beschützen.“
    „Und wer beschützt dich, Leono…Leon?“, fragte Robyn mit belegter Stimme.
    „Ach, auch über mich wird der Herr seine Hand halten. Er hat mich bis hierher geführt und wird mich auch weiterhin behüten.“
    „Hast du da nicht etwas vergessen? Wer hat dich nach deinem Sturz geborgen? Und wer hat dich vor den Wölfen gerettet und dich aus den Klauen des Marchese befreit? Mich dünkt, dass du dein Leben einem gewissen Ritter zu verdanken hast, und ebendieser Ritter befiehlt dir nun, ihn weiterhin als getreuen Knappen zu begleiten.“ Robyn wusste, dies waren nicht die rechten Worte,

Weitere Kostenlose Bücher